(opa) Immer dann, wenn kurz Hoffnung besteht, grätscht einem die alte Dame mit schlafwandlerischer Sicherheit zwischen die Beine. Von hinten. Mit dem Stollen voran. Das bezieht sich sowohl auf einzelne Spiele wie auch auf Saisonverläufe. Hertha hatte diese Saison mehrfach die Chance auf dem Silbertablett, in dieser engen zweiten Liga oben dranzukommen oder zumindest zu bleiben und nicht wenige sahen Hoffnung auf Besserung, wenn denn die Verletzten zurückkehren. An letzterem hat sich grundsätzlich wenig geändert, aber es könnte sein, dass angesichts des Saisonverlaufs die guten Spieler im Winter entweder reißaus nehmen oder schllichtweg noch versilbert werden müssen. Und allein diese Aussicht bestimmt die Tonalität, die sich spätestens seit dem gestrigen Spiel gegen schwache Münsteraner in Richtung Moll gedreht zu haben scheint.
Hertha ka. zwar ganz gut ins Spiel und ging nicht zu Unrecht durch Scherhants Elfmeter, den dieser zuvor erzwungen hatte, in Führung. Während der ersten Halbzeit ließ man kaum etwas anbrennen, wenngleich man defensiv doch reichlich wackelte, aber die zu diesem Zeitpunkt durchaus brilliante Offensive überdeckte dies. Maza als Ballverteiler, Cuisance und Scherhant auf den Außen kreierten Chance um Chance, die am Ende in der roten Zone versemmelt wurde, weil man entweder zu eigennützig war oder weil man den Ball schlichtweg irgendwo hinspielte, wo alles war, nur kein Mitspieler. Aber die Offensivdominanz, die dem Fielschen Fußball eigen ist, war unverkennbar und hielt viel Ungemach vom eigenen Strafraum entfernt.
Man hätte in Halbzeit zwei einfach so weitermachen können. Aber die Münsteraner kamen wie ausgewechselt aus der Kabine, obwohl sie gar nicht auswechselten. Dass Maza verletzungsbedingt ausgewechselt wurde, mag die Balance des Spiels etwas beeinflusst haben, zumal mit Prevljak eher ein zweiter Stürmer denn ein Zehner eingewechselt wurde, von dem es eh keinen zweiten im Kader gibt. Und so drückte Münster die plötzlich viel zu passiven Herthaner in Richtung des eigenen Strafraums, wo man sich außer Querpässen nicht mehr zu helfen wusste und bei einem dieser Querpässe vorm eigenen 16er ging Klemens durch, dass sich nicht nur von hinten Torschütze Kyerewaa anschlich, sondern sich eben auch keine One-touch-Anspielstation ergab. Der Moment, den man im Kopf zu langsam ist, macht dann häufig den Unterschied und so ließ er sich den Ball vom Fuß spitzeln und die Münsteraner waren nicht nur im Spiel, sondern auch heiß darauf nachzulegen.
Und so bekam Hertha dieses letzte Heimspiel des Jahres nie wieder in den Griff. Trainer Fiel wechselte zwar noch Thorsteinsson für Niederlechner, was allerdings weder die Balance noch die linke Seite stärkte. Für Thorsteinsson scheint die zweite Liga einfach einen Tick zu schnell zu sein, wenngleich die Anspiele, die er bekam, nun auch kein Lob verdienten. Aber genau hier zeigt sich der Unterschied zwischen normalen und herausragenden Spielern, dass man auch mal mit einem nicht optimal ankommenden Pass etwas anzufangen weiß. Ein Reese kann das, ein Maza auch, Cuisance bedingt, Scherhant manchmal, beim Rest des Teams wird es dann doch eher düster, was die Frage aufwirft, inwiefern man die richtige Balance in der Kaderzusammenstellung getroffen hat.
Und so rücken angesichts der Entwicklung der letzten Wochen zwangsläufig auch die in den Fokus, die gestern gar nicht aktiv auf dem Platz standen. Neben Trainer Fiel, dem man zumindest zu Gute halten muss, dass er immerhin Korrekturen vorzunehmen versucht, stehen nicht zu Unrecht nun auch Sportdirektor Weber und Zecke als Leiter des Lizenzspielerbereichs in der Kritik und da man in einer Operation “Giftpille” noch kurz vor den jüngst stattgefundenen Präsidiumswahlen auch deren Verträge vorzeitig verlängert hat, darf man auch Präsident Drescher und Geschäftsführer Herrich nicht von der Kritik ausnehmen. Diese 5 haben den aktuellen Zustand gemeinsam zu verantworten und von diesen fünfen schickt man in der Öffentlichkeit den Trainer vor, dem Publikum wortgewaltig zu erklären, man sei nicht ratlos, wisse aber auch gerade nicht, woran es läge.
Wer das Fußballgeschäft kennt, weiß, was als nächstes folgt. Mindestens mal eine Trainerdebatte, in deren Verlauf es zu einer Neuernennung kommen könnte, die auch von der Diskussion ablenken soll, wie es denn dazu kommen konnte, diesen Trainer zu verpflichten, für den man obendrein noch Ablöse zahlen musste. Oder man entschließt sich, es laufen zu lassen, dann könnte es aber sein, dass man nicht nur am Ende unten reinrutscht und dann wirklich nur noch auf den Feuerwehrmann hoffen kann, sondern dass dann auch kein Trainer sich den Schleudersitz mehr antun mag. Wobei Herthas Reputation nach jahrelangem Status als Skandalnudel Nr. 1 des deutschen Fußballs ohnehin kaum mehr negativer sein könnte. Insofern ist es eher wahrscheinlich, dass man eine vereinsinterne Lösung finden wird.
Die erforderliche UEFA-PRO-Lizenz dürfte es mittlerweile genügend im Verein geben, neben Dardai wären da Zecke und Covic zu nennen, mit U-23 Trainer Hasanovic, U19 Trainer Michael Hartmann und Geschäftsführer Huschen gibt es zudem mindestens drei weitere mit A-Lizenz, die als Co-Trainer arbeitsberechtigt wären. Das wäre nicht nur die “preiswerteste” Variante, wenn man zumindest nur auf die Kostenseite schaut, sondern würde auch am glaubwürdigsten für das stehen, was mal als “Berliner Weg” beschrieben wurde. Ob einer von denen die Tonalität von Moll in Dur ändern könnte? Nun, ein, zwei Siege können die Stimmung im Fußball schnell drehen, aber vor Weihnachten dürfte es bei Hertha trüb bleiben, die nächsten Spiele gegen Hannover, Paderborn und Hamburg sind alles gegen Gegner, die oberhalb der eigenen Augenhöhe sind.
Andererseits stellt sich die Frage, ob man erneut die Chance vergeigen und die Rückrundenvorbereitung einer “Lame Duck” überlassen will. Schon Anfang Januar geht es ins andalusische Cádiz, ob mit dem spanischstämmigen Fiel oder einem Trainer anderer Provenienz, steht in den Sternen, aber eins hätte der gemeine Herthaner zur Weihnachtszeit schon verdient, der trotz Kühlschranktemperaturen auch gestern das heimische Olympiastadion zur viertbestbesuchten Arena der 2. Liga (und sechstbestbesuchten Arena der 1. Liga) machte: Hoffnung. Und fröhlichere Musik als Blues oder Fado als Begleitung.
Möge uns der Fußballgott beistehen, HaHoHe, Euer Opa