Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2024, Allgemein, Länderspiel, Mitgliederversammlung, Nationalmannschaft, Spieltagsnachlese, Testspiel

Oans, zwoa, droa – gsuffa!

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(opa) Das letzte Herthaspiel habe ich tatsächlich in großen Teilen verpasst, weil es mich beruflich auf die Münchner Wiesn verschlagen hat. Wer schon einmal dort war, weiß, dass das nicht nur Volksfest, sondern gesellschaftliches Ereignis und vor allem Business ist, weshalb es am Samstagabend auch nicht ging, dass ich mich da zum Herthagucken abseile. Die ersten zehn Minuten hab ich zwischen zwei Tuschs im Augustinerzelt auf dem Handy geschaut, danach musste ich mich wieder aufs Trinken und die Gäste am Tisch konzentrieren. Ich bin allerdings auch weiter nicht dafür zu haben, mich in Weltuntergangsstimmung oder Panik versetzen zu lassen, nur weil lediglich ein Unentschieden auf Schlacke heraussprang und man fünf Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz hat.

Dafür wird mir viel zu wenig die Gesamtsituation berücksichtigt. Die vielen Verletzten, die dazu führen, dass Hertha im Laufe der Hinrunde mehrere Comebacks erleben wird, die nahezu jeden Mannschaftsteil stärken werden. Daher gilt es bis dahin, in Tuchfühlung zu oben dranzubleiben und Erfolgserlebnisse zu schaffen, z.B. noch ein Unentschieden auswärts zu erkämpfen. Manchmal kann so ein erkämpfter Punkt der entscheidende Big Point sein. Zwar sehe ich auch, dass das laufintensive Spiel entsprechende Motivation im Kopf voraussetzt und daher auch die “echten” Erfolgserlebnisse in Form von Siegen her müssen, aber es gibt keinerlei erkennbare Anzeichen dafür, dass das Team vom Trainer nicht mehr erreicht würde.

Nicht mehr erreichen wird allerdings ein anderer weite Teile der Fans nicht. Jürgen Klopp, der wegen Müdigkeit seinen Vertrag bei Liverpool aufgelöst hatte, dockt als Direktor bei einem der umstrittensten Fußball-Investorenkonglomerats an und schubst sich für viele somit selbst vom Sockel. Wie zu erfahren war, geht der Deal wohl auf ein vor Jahren abgegebenes Versprechen zurück, was Klopp dem sterbenden RB Gründer Mateschitz abgegeben haben soll, was bestimmte Äußerungen von ihm und auch das Timing in ein anderes Licht rücken. Geld allein kann kaum die Motivation gewesen sein. Klopp dürfte im Laufe seiner Karriere sicher einen dreistelligen Millionenbetrag verdient haben.

Insofern fragen sich viele, was denn seine Motivation gewesen sein mag. In zweiter Reihe als gut bezahlter “Experte” zu agieren, mag sicher reizvoll gewesen sein, andererseits soll er keinerlei Ausstiegsklauseln haben, so dass er sich mit diesem Vertrag auch vor der Übernahme eines Traineramts schützen wird. Unsympathischer hätte er seinen Exit wohl nur gestalten können, wenn er Trainer der Bayern geworden wäre. Andererseits muss man ihm zugute halten, dass Fußball schon seit Jahrzehnten kein Platz für Romantiker mehr ist, der BVB genau wie Liverpool ein von Investoren geführter Verein ist und die Unterschiede zu RB da nur marginal sein dürften. Dennoch hat Klopp aus Sicht vieler ein Tabu gebrochen und wird entsprechend wenig freundlich in den Stadien empfangen werden.

Was da genau seine Aufgabe wird und was das mit Hertha zu tun hat? Nun, er wird in seinem neuen Job Gespräche mit Ex-Hertha-Trainer Sandro Schwarz führen und meine Phantasie reicht kaum aus mir vorzustellen, dass die beiden eine Gesprächsebene finden werden. Da ist einerseits der Menschenfänger mit aufbrausender Neigung, mit seinen frisch gemachten 32 Schneidezähnen auch mal den 4. Offiziellen wegzubeißen, andererseits der unglaublich dröge wirkende Schwarz, der sich in Plattitüden zu flüchten versucht und vermutlich nicht das Tempo hat, von Kloppos Beißerchen verschont zu werden. Auf Bisswunden würde ich beim Headcoach von RB New York verstärkt in der Zeit nach dem Amtsantritt von Klopp zum Jahreswechsel achten. Prost Neujahr.

Apropos Prost: Den längeren Münchenbesuch habe ich auch dafür genutzt, bei den Löwen reinzuschauen, am Samstag spielten die gegen Wiesbaden. Auf Einladung eines Geschäftspartners durfte ich in der berühmte Westkurve des eigentlich immer mit rund 17.000 Zuschauern ausverkauften Grünwalder Stadions das Spiel verfolgen. Es gab vieles, was mich irgendwie alles ein wenig an Hertha erinnerte. Die selben Sprüche von dicklichen Fans, dass der Spieler A zu langsam sei, sicher hilfreiche Hinweise, bei Ballbesitz in der eigenen Hälfte “einfach mal draufzuhalten”, ein marodes und an den Balkan erinnerndes städtisches Stadion, was aber insgesamt eine Fußballromantik versprüht, für die ich gern auf Champions League und High-End-Arenen verzichte. Wobei auch dort die Existenz von einem mittlerweile beleidigten Scheich abhängt. Ein Kreuz.

Und bei Hertha so? Das Testspiel gegen Hertha Zehlendorf war wohl nett. Die Vorstellung der Kandidaten fürs Präsidium findet jetzt am Mittwoch im Cineplex Neukölln statt und es ist Länderspielpause, d.h. Bouchalakis, Thorsteinsson, Prevljak, die beiden Dardais und Maza werden im Training fehlen, was die Aufgabe für rainer Fiel nicht leichter machen wird, das richtige Team für das Freitagabendspiel gegen Eintracht Braunschweig zu finden und einzustellen. Aber so ist Profifußball nun einmal, keine Zeit für Romantik, höchstens für Zahnarzt und Haarverpflanzung.

Einen Zahnarzt werden nach der Wiesn übrigens auch einige Besucher benötigen, auf dem Weg zur U-Bahn am letzten Sonn- und somit auch letztem Wiesntag schlug hinter mir jemand ungebremst mit dem Gesicht voran auf den Gehsteig. Ein Glück waren schnell Sanitäter vor Ort, ob man Zähne (und Frisur) retten konnte oder ob demnächst ein neuer Kloppo herumläuft, entzieht sich meiner Kenntnis, aber dieses Bild kann man irgendwie symbolisch betrachten, sei es nun für einen, der sich selbst mit so einem Move vom Sockel haut oder aber für einen Verein, der 374 Mio. € von einem Unglücksritter verbrennt und sich im Mittelfeld der 2. Liga wiederfindet oder für die Löwen. Sucht’s Euch aus.

Dann lieber Wiesn, da spielt wenigstens die Kapelle. Ein Prosit, ein Prosit, der Gemütlichkeit! HaHoHe, Euer Opa

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