Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2024, Allgemein, Transfers

Zwei Schritte voran, einer zurück?

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(opa) Der Schlussspurt im Transferfenster hat in den letzten Tagen Fahrt aufgenommen und ist doch irgendwie schlagartig zum Erliegen gekommen, nachdem gestern Reese via sozialer Medien sein Commitment zur alten Dame abgegeben hat. Sofern sich nichts mehr wesentliches tun sollte, ist es an der Zeit, die Bilanz zu ziehen. Und die fällt durchaus weniger negativ aus als es zwischenzeitlich wirkte, als Hertha mit einem fast 40 Spieler großen und viel zu teurem Kader unterwegs war, der zudem unausgewuchtet und wie Stückwerk wirkte. Doch der Reihe nach.

Bewertet man die Transferaktivitäten chronologisch, wird klar, weshalb es durchaus berechtigt Unmut gab. Man holte einen als Kumpel eines Funktionärs geltenden Trainer und zahlte trotz klammer Kassen Ablöse, was die eingeleiteten Bemühungen zur finanziellen Konsolidierung konterkarierte. Dazu holte man mit Schuler einen Stürmer, obwohl man mit Tabakovic, Prevljak und Niederlechner schon drei auf der Payroll hatte. Ob man von Anfang an ernsthafte Abnehmer für Tabakovic hatte, werden wir vermutlich nicht wissen, die eigene Verhandlungsposition ist aber nicht besser geworden dadurch, weil auf der anderen Seite des Verhandlungstisches natürlich klar war, dass sich Hertha diesen Kader nicht wird leisten können.

Die Abgangsseite hat mindestens rund 10 Mio. € eingebracht, den irgendwie in Berlin nie heimisch gewordenen Serdar konnte man für 4,5 Mio. € loseisen, aus Tabakovic hat man vermutlich das für einen Zweitligaspieler in dem Alter erlösbare Maximum herausverhandelt und der zuletzt starke, aber doch irgendwie nie richtig bei der Sache und sich selbst für die zweite Liga zu gut einschätzende (und verdienende) Kempf wurde ebenfalls von der Gehaltsliste gestrichen. Kanga, Rogel und Nsone konnte man zwar “nur” verleihen, aber auch das entlastet das Budget erst einmal.

Dass man außer Cuisance wohl fast ausschließlich ablösefrei verpflichtet hat, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ggf. Handgelder geflossen sind, wenngleich von Demme und Sessa abgesehen sich diese in überschaubaren Regionen bewegt haben dürften. Brooks wird froh sein, noch einmal unter Beweis stellen zu dürfen, dass er Profi ist. Ein Fragezeichen in Sachen Einkauf bleibt der Isländer Thorsteinsson, wo unklar ist, ob und wenn ja wie viel Ablöse und Handgeld geflossen ist. Abgesehen von den Gehältern entspricht die Einkaufspolitik aber tatsächlich einem guten Kompromiss aus wirtschaftlicher Vernunft und sportlicher Perspektive.

Und diese Einkaufspolitik scheint auch sportlich Sinn zu ergeben, wenn man beispielsweise mit Kempf den quasi einzigen kopfballstarken Spieler abgibt und mit Brooks jemanden holt, der seine 1,94 m Größe nicht trainieren muss. Einzig hinter Thorsteinsson bleibt ein Fragezeichen, weil man auf Linksaußen mit Reese, Scherhant und Christensen eigentlich mehr als üppig besetzt ist, aber vielleicht hat ja auch ein Bieter einen Rückzieher gemacht und mit Kempfs Abgang passt der Verbleib von Reese auch finanziell ins Budget, der ggf. nach einem Aufstieg sehr viel teurer verkauft werden kann denn als Zweitligaspieler, der obendrein noch verletzt ist.

Allerdings werden wir uns wohl daran gewöhnen müssen, dass die Personalie Reese in jeder Transferperiode erneut auf den Tisch kommen wird. Nicht unbedingt, weil der Spieler weg will, sondern weil Hertha sicher unter gewissen Umständen es sich nicht wird leisten können, den Spieler mit aller Macht zu behalten. Ein so starker Einzelspieler birgt nämlich auch immer die Gefahr, dass sich andere Spieler hinter diesem Spieler verstecken oder demotiviert sind, weil sie ohnehin keinerlei Chance haben, an ihm vorbeizukommen und Berücksichtigung zu finden.

Und Reese wird hier obendrein für seine und unsere Verhältnisse sehr, sehr gut verdienen, was bei einem dauerkriselnden Verein wie Hertha ein nicht unwesentlicher Faktor ist. Anfang kommenden Jahres wird das Lizenzierungsverfahren alle potentiell möglichen Szenarien berücksichtigen müssen, die von Erstligaaufstieg, Klassenerhalt und Abstieg in Liga 3 abgebildet werden müssen im Kontext der Tatsache, dass in der die Lizenz betreffenden Spielzeit die 40 Mio. € Anleihe zur Rückzahlung bzw. Refinanzierung anstehen wird. Ein Verkauf von Reese oberhalb der 10 Mio. € könnte einen nicht unerheblichen Anteil an der Rückzahlung haben und somit einen Verkauf fast zwangsläufig machen.

Insofern tut man den Fans sicher einen Gefallen, wenn man sie auf dieses nicht unrealistische Szenario gedanklich vorbereitet, dass Reese tendenziell kein Rekordspieler bei der Hertha mehr werden wird und sein Commitment eben auch nur bis zur jeweils nächsten Transferperiode gelten wird. Freuen wir uns also über eine nach anfänglichem Rumpeln doch noch ganz ausgewogen wirkende Transferperiode, freuen wir uns, dass wir halbwegs passabel in die Saison gestartet sind und sogar im Soll sind, was den ehemals von Ingo Schiller immer wieder gerissenen Lizenzierungsverfahrenwitz angeht, indem wir die zweite Runde des Pokals erreicht haben.

Denn das beste an der Transferperiode dürfte sein, dass man selbst für den Fall, dass es mit dem Aufstieg nicht klappen sollte, nicht wirtschaftlich Harakiri fährt. In dieser vermutlich einer der stärksten zweiten Ligen der Welt ist ein Aufstieg nicht selbstverständlich, bis zuletzt dürften 6-7 Teams in die engere Wahl kommen und eine Fehlentscheidung des Schiris oder Kleinigkeiten wie nicht genügend grüner Rasen oder zu hoher Luftdruck im Ball über Aufstieg oder Klassenerhalt entscheiden.

So muss nun seriös weitergearbeitet und am Samstagabend gegen die roten Teufel idealerweise gleich nachgelegt werden. Nichts für schwache Nerven, aber was war in den letzten Jahren schon bei Hertha aus dieser Kategorie “unaufregend”?

HaHoHe, Euer Opa

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