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Die Passion Herthas?

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(opa) Mit Vergleichen ist das immer so eine Sache und nicht alles, was hinkt, ist auch zwangsläufig ein Vergleich. Natürlich kann man es als Riesenerfolg werten, das Viertelfinale erreicht zu haben, pokal- und ergebnistechnisch haben wir eine erfolgreiche Saison gespielt und wurden sogar nicht nur mit Heimspielen, sondern auch mit allerlei Zusatzeinnahmen belohnt, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte. Dass dennoch nicht alle zufrieden sind, liegt wohl eher in der Art und Weise begründet, wie leichtfertig man die Chance verspielt hat, noch mehr zu erreichen.

In einem Wettbewerb, in dem nicht nur nahezu alle Favoriten sich eliminiert haben, sondern auch noch gegen einen Ligakonkurrenten auszuscheiden, den man vor wenigen Wochen noch besiegt hatte, das schmerzt schon. Auch schmerzt, dass ein Trainer einen zuletzt ohnehin nicht sonderlich sicher auftretenden Mannschaftsteil nicht nur taktisch umstellt, sondern personell auf eine Art und Weise durcheinanderwürfelt, die den gegnerischen Trainer eher erfreut hat, weil diese Spielweise der seinen eher entgegenkam. Das ganze geht einher mit dieser in der Trainerlandschaft sehr einzigartigen Art und Weise der Kommunikation, die die einen als abwechslungsreich und grundehrlich betrachten, während es andere ratlos und mit dem Eindruck zurücklässt, dass die wichtigste Personalie im Verein mit jemandem besetzt ist, der seine Arbeit nicht erklären kann.

Und so startet das Leiden der Herthaner bereits 14 Tage vor Beginn der Passionszeit, die ja eigentlich am Aschermittwoch beginnt. 9 statt 7 Wochen Leiden, nur dass am Ende weder Auferstehung und Erlösung warten, sondern im besten Falle Klassenerhalt und Einnahmeverluste und der Abgang des mit Abstand besten Spielers, der einen Verein hinter sich lässt, der nicht nur tief zerstritten ist, sondern der eben sich auch zu einem Wohlfühlbiotop für einige Funktionäre entwickelt hat, für die Durchwursteln schon die Krone des möglichen Outputs darstellt und die sich dafür am liebsten feiern lassen würden, als habe man einen Titel gewonnen. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass das noch lange so weitergehen wird, solange ein solches Verhalten goutiert wird.

Verschlimmernd kommt hinzu, dass durch den tragischen Tod Bernsteins die Figur fehlt, die dem Verein so etwas wie Spirit eingehaucht hat. Und der Verein bis zum November führungslos bleiben wird. Dass man sich entschieden hat, im Mai keinen neuen Präsidenten zu wählen, habe ich im ersten Moment aus Pietätsgründen als durchaus feinfühlig betrachtet, bei näherem Nachdenken wäre es aber angesichts der anstehenden Aufgaben vielleicht doch besser, möglichst bald einen Nachfolger zu finden, der die Geschicke des Vereins und die Gremien in die richtige Richtung führt. Ich habe Zweifel, ob Hertha dieses Vakuum leisten kann, was durch den Tod von Bernstein entstanden ist und noch größere Zweifel habe ich, dass irgendjemand aus der verbliebenen “Schlangengrube” oder dem “Old Boys Club” eine Idealbesetzung für das Amt wäre.

Aber die Kuh gibt ja noch Milch und so lange das so ist, werden einige mit ernsthafter Miene im Gesicht so tun, als läge ihnen etwas am Wohl des Vereins, damit sie sich weiter laben können. Man wird weiterhin auf die längst verglühte Asche der Vergangenheit verweisen, mit der man nicht nur kein Feuer der Zukunft entfachen kann, sondern die sich wie Mehltau über diejenigen legt, denen der Fortschritt und die Zukunft wichtig ist. Bisweilen hat man den Eindruck, die Titel 1930 und 1931 seien gerade erst errungen und der Verein brauche eine Atempause. Dabei heißt es im Wimpellied doch “30 und 31 sind schon lange her”.

So wie das gestrige Viertelfinale eben im Leistungssport auch nichts zählt, keine zusätzlichen Einnahmen generiert, keine Hoffnungen weckt und somit auch keine zusätzlichen Gelder bei dringend benötigten Sponsoren entlocken helfen wird. Von dem “aber guck mal, wir waren im Viertelfinale” können wir uns nichts kaufen, keine Anleihe zurückzahlen, keine gestundete Miete nachzahlen und all das steht dringend notwendigen Veränderungen genauso entgegen wie das Vakuum an der Spitze des Vereins.

Dabei lockt Hertha immer noch genügend Menschen in der Stadt an. Das war gestern richtig, richtig voll im Oly, ausverkaufte Hütte, aber bisweilen kann man den Eindruck gewinnen, dass man das Viertelfinale nur deshalb erreicht hat, um vor ausverkauftem Haus unter Beweis zu stellen, dass man es wirklich nicht drauf hat. Mit der Einwechslung von Reese zur zweiten Halbzeit kam noch etwas Hoffnung auf, das Team spielte auch deutlich besser als in Halbzeit 1, aber das reichte eben nicht, der Knacks war schon drin und zu tief und die Lauterer konnten sich aufs Konterspiel konzentrieren, welches durch ein Fehlpassfestival der Herthaner begünstigt wurde.

Fehlpässe können entstehen entweder durch Unkonzentriertheit der Spieler, auf die man mental einwirken kann oder durch Unwissenheit über Laufwege, aber auch das ist etwas, wofür unter der Woche Training ist und woran man arbeiten kann. Und etwas Neues auszuprobieren, dafür gibt es Trainingslager, in denen man bei den Experimenten mit den Dreierketten sehen konnte, dass das derzeit nicht die beste Option ist. So etwas in einem der wichtigsten Spiele der Saison auszuprobieren, bedarf einer plausiblen Begründung, die der Trainer bislang schuldig geblieben ist. Und so darf sich dann auch keiner wundern, dass dann nicht nur Kritik an dieser Personalie, sondern auch am Drumherum entsteht.

Niemand hätte bei einem Sieg hinterfragt, ob vielleicht nur deshalb auf Dreierkette umgebaut wurde, damit einer der Söhne des Trainers einen Platz im Team hat. Aber bei einer Niederlage tauchen solche Fragen eben auf und niemand beantwortet diese, während sich viele Journalisten ja nicht einmal trauen, solche Fragen zu stellen. Vom einstigen Denkmal Dardais verbleibt nach Auftritten wie gestern am Ende nur noch ein bröckelnder Sockel, wenn man nicht rechtzeitig weiß, wann Schluss ist. Eine Weile dient der dann noch als Grafitti-Fläche, dann fallen noch ein paar Buchstaben ab und am Ende wird dann eingeebnet. Das gilt unabhängig von der Person.

Und wie ist Eure Stimmungslage so am Morgen danach?

HaHoHe, Euer Opa

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