(opa) Euch allen zunächst ein frohes Pfingstfest. Mit einem verdienten Sieg verabschiedete sich Hertha gestern aus der ersten Liga durchaus ordentlich, Trainer Dardai grinste nach dem Spiel beim Interview, als würde er gleich eine Zigarre anzünden. Mit 1,17 Punkten pro Spiel hätte man hochgerechnet auf 34 Spiele wohl den Klassenerhalt geschafft, doch Fußball ist keine Mathematik und Hertha war im Grunde genommen schon abgestiegen, als der knurrige Ungar das Amt übernahm. Ob es mit ihm an der Seitenlinie in Liga 2 weitergeht, wollten die Verantwortlichen zeitnah bekanntgeben, schließlich sind bis zum Ligaauftakt in Liga 2 nicht einmal 2 Monate Zeit.
Apropos Bekanntgabe, Hertha konnte im Spiel gegen Wolfsburg gleich mehrere Bundesliga- und Profidebüts verkünden. Pascal Klemens stand genau wie Torhüter Tjark Ernst sogar in der Startelf, später wurden noch Tony Rölke und Ibrahim Maza eingewechselt, letzterer traf bei seinem Bundesligadebüt sogar. Zusammen mit Ngankam, Scherhant und Eitschberger standen gleich 7 Eigengewächse auf dem Platz und machten ihre Sache nicht nur ordentlich, sondern bezwangen die schon im gefühlten Auslaufen befindliche Sportabteilung des Wolfsburger Autobauers und holten emotional wichtige drei Punkte, die an Herthas Schicksal jedoch nichts mehr ändern können.
Und so feierten über 3000 mitgereiste Herthafans das letzte Erstliga-Auswärtsspiel, einige wohl etwas zu überschwänglich unter Verwendung pyrotechnischer Gegenstände, so dass die Staatsmacht vor dem Gästeblock massive Behelmtenketten aufbaute. Muskelspiele, die wohl ohne Konsequenzen blieben, aber schon ein Vorgeschmack darauf gaben, was Auswärtsfahrer in der kommenden Saison in Magdeburg, Dresden oder Rostock zu erwarten haben. Die Kombination mit einem Städtetrip dürfte jedenfalls ziemlich sicher ins Wasser fallen.
Nach dem letzten Spiel wäre es eigentlich an der Zeit, ein Fazit der Saison zu ziehen. Bedenkt man die Fallhöhe und die Tatsache, dass Hertha eine halbe Milliarde € verbrannt hat, kann es eigentlich nur vernichtend ausfallen. Es scheint eine gewisse Tradition zu haben, dass Hertha immer dann, wenn man sich einen neuen Präsidenten leistet, absteigt. Schon der im November 1979 gewählte Wolfgang Holst stieg im Sommer 1980 ab, Gegenbauer ebenfalls (und gleich zweimal) und nun reiht sich in diese “Ruhmeshalle” Kay Bernstein ein. Hertha ist eben ein echter Traditionsverein.
Dass dieser Niedergang nicht so einen Resonanzraum findet, dürfte u.a. an einer ganzen Melange von Gründen liegen. Die Bayern straucheln und wurden nur Meister durch das Unvermögen des BVB, daheim gegen Mainz wenigstens einen Punkt zu holen. Mit einem Knall hat man in München trotz Meistertitel Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic vor die Tür gesetzt und die Stadt Berlin ist dennoch weiter erstklassig, die Köpenicker haben nicht nur den Klassenerhalt geschafft, sondern sogar ein Ticket für die Champions League gelöst. Wer hätte das vor Jahren gedacht, als man im Wald wegen verspätet bzw. fehlerhaft eingereichter Unterlagen die Lizenz nicht erhielt?
Das Glück für Herthas Verantwortliche ist, dass sie unter diesem Radar fliegen bzw. auch weiter herumirren können. Persönliche Konsequenzen scheint niemand ziehen zu wollen. Herrich, Weber, Bernstein, Neuendorf & Co. scheinen fest im Sattel zu sitzen und sich der Aufgabe weiter widmen zu wollen. Die Schuld wird wie fast immer vor allem bei den Vorgängern gesucht, was fraglos richtig ist, aber nichts daran ändert, dass man selbst eben auch einen Anteil daran hat. Das Timing der Entlassungen von Bobic und Schwarz z.B. kann man den Vorgängern eben nicht anlasten. Oder dass man die Fans aufruft, mit dem Fahrrad zum Stadion zu kommen, während das Team im Privatflieger reist.
Nun soll es also der “Berliner Weg” richten, wenn das Spiel am gestrigen Sonnabend dafür ein Fingerzeig war, soll es den Fans sicher recht sein. Doch erst einmal steht die Entscheidung der DFL an, ob man Hertha überhaupt zum Profifußball zulässt oder den sprichwörtlichen Stecker zieht. Selbst wenn Hertha weiterwursteln darf, sind die Aussichten angesichts der bedrückenden Kassenlage alles andere als rosig und Hertha bleibt unabhängig von der sportlichen Situation ein Fall für die Schuldnerberatung. “Keen Sechser im Portemonnaie, aber een Kamm inne Tasche” ist eben dann doch ein Stück Berliner Lebensgefühl.
Genießt daher die fußballfreie Zeit, in der wir uns hier dennoch zum Plaudern weiter treffen werden und genießt das frühsommerliche Wetter, welches am Freitag pünktlich die Knospen meiner Pfingstrose hat aufgehen lassen:
Diese Rose soll auch symbolischer Ausdruck meiner Dankbarkeit sein, dass ihr auch in schlechten Zeiten hier die Treue gehalten habt. Mein besonderer Dank gilt dabei dem Team, denn von Anfang an war Herthaimmer keine One-Man-Show. Danke an TheRocket, David Bechstein und den mitlesenden Heiligenseer, die sich oft lautlos und weitgehend unbeachtet ums Funktionieren der Technik kümmern und danke an Sunny für seine Spieltags-Opener, die er nicht nur liebevoll, sondern engagiert recherchiert schreibt und dafür viele Stunden Zeit opfert. Und danke an alle, die hier täglich den Austausch suchen und im besten Wortsinn Schwarmwissen unter Beweis stellen und dem ganzen hier einen Sinn geben.
HaHoHe, Euer Opa