(opa) Die Deutschen sind aus der Wüsten-WM ausgeschieden, das nächste Hertha Pflichtspiel ist erst am 21. Januar in 46 Tagen genau einen Monat nach der noch bevorstehenden Wintersonnenwende, wenn die grau-tristen Wintertage endlich wieder länger werden. Auch das Weihnachtsfest mitsamt der vorweihnachtlichen Geschäftigkeit und der bevorstehende Jahreswechsel werden uns etwas über die Zeit ablenken, zumal letzterer dann auch den Auftakt für die kommende Transferperiode einläutet, die gerüchtehalber jetzt schon losgeht, sich allerdings nicht um die “großen” Problemfälle von Hertha wie Herrn Freitag oder Selke dreht, sondern um den “Beifang” wie Björkan, den es zurück nach Norwegen ziehen soll.
Bei einem eisigen Spaziergang am windigen Ufer der Spree Höhe Plänterwald ließ ich die Gedanken schweifen, womit man die Zeit überbrücken könnte. Die Nachwehen der Weltmeisterschaft werden uns sicher noch ein paar Momente beschäftigen, aber am Ende dürfte sich das doch zu einer rein akademischen Debatte entwickeln, bei der sich beide Lager genauso unüberbrückbar gegenüberstehen wie vor und während der WM. Höhe der Einfahrt des Hafens der Reederei Riedel in der Nalepastraße dachte ich an die Hertha, die nach ihrem Transfer auf Berliner Gewässer hier festgetäut ihrer immer noch ungewissen Zukunft entgegensah und dann doch mehr Symbol für den Zustand unseres Vereins darstellt als es den Eignern und den Vereinsverantwortlichen lieb war.
Was bleibt einem also übrig außer Trübsal zu blasen in einer dysfunktionalen Stadt, die weder Fußball noch Wahlen kann, vom Flughafen ganz zu schweigen? Hertha spielt im Museum, während man im Wald bald in selbiges zieht, um die eigene, immer in Maßen geplante Spielstätte zu ertüchtigen. Maß halten war und ist etwas, was unser Verein nicht kann. Auf Rekordumsätze folgten immer noch höhere Rekordverluste und um das zu verschleiern, lockte man den eigenen Anhang mit der Idee eines eigenen Stadions. Viel zu groß, viel zu falsch kommuniziert, viel zu verzockt am Ende, weil man bei den Großen mitspielen wollte, die längst erkannt hatten, dass da ein Spieler am Tisch sitzt, der schon lange aus dem Minus die Einsätze auf den Tisch legt.
“Hinfort mit den trüben Gedanken” dachte ich, als ich hinterm Eierhäuschen in den Plänterwald abbog, um auf der windgeschützten Allee den Rückweg einzuschlagen. Für einen Spaziergang bis zur Fähre war es eindeutig zu kalt. Ja, der Spreepark ist auch so eine Erfolgsstory wie alles, was in dieser Stadt schief geht. 1991 an einen Investor verkauft, dauerte es bis 2014, bis man das Grundstück wieder in Landesbesitz nehmen konnte. Nur findet sich kein Betreiber für einen Ostalgiepark, den das Landesdenkmalamt als Nutzungskonzept angeordnet hat. Fahrgeschäfte, die wohl nur Menschen begeistern, die auch heute noch begeistert vom XI. Parteitag der Mauerbaupartei schwärmen und so ist es kein Wunder, wenn das Land Berlin nun auch Freizeitparkbetreiber wird, weil mit den Auflagen sich das niemals wirtschaftlich betreiben lässt. Aber wozu gibt’s den Länderfinanzausgleich, der zwar mittlerweile einen anderen Namen hat, aber immer noch das selbe tut.
Für Bundesligamannschaften gibt es so etwas übrigens nicht, eine Botschaft, die man all denen hinter die Löffel tätowieren sollte, die da immer vom “Hauptstadtclub” sprechen, als ergäben sich allein aus dieser Location irgendwelche Vorteile. Auch zu Hochzeiten des Wirtschaftsbooms sind weiterhin nur 3 eindeutig der Privatwirtschaft zuzuordnen, der Rest verteilt sich auf Verkehrs- und Gesundheitsunternehmen und deren Dienstleister, wohin man weite Teile des Personals hin billig ausgelagert hat. Wie soll in so einer Hauptstadt wirtschaftliche Kraft für einen Fußballverein entstehen? Und dann schaudert es einem, wenn man an den südöstlichen Stadtrand schaut, weil es dort irgendwie doch klappt. Sportlich wie wirtschaftlich. Gut, dort feiert man als Jubiläum auch lieber den von der SED Führung angeordneten 20. Januar 1966 statt des eigentlichen Gründungsdatums, aber so etwas macht in dieser Stadt eben erfolgreich, wenn man es mit denen hält, die im Gegensatz zu Sankt Martin nicht den eigenen Mantel teilen.
Ein Riesenrad wollte man bei Hertha auch drehen mit den Millionen von Tennor, nun liegt das Riesenrad des Plänterwald abgebaut zur Generalrestaurierung bei irgendeinem Maschinenbaubetrieb zur Wiederertüchtigung in einigen Jahren, was den Steuerzahler sicher wie immer mehr kosten wird als veranschlagt. Und Hertha liegt mal wieder auf der Intensivstation. Zwar atmet man noch eigenständig, aber der Zustand ist dennoch alles andere als stabil. Die alte Dame mit den Altersflecken und dem leicht galligen Atem hatte sich in den letzten Jahren einfach zu viel zugemutet. Aus einer “ollen Schrulle” macht man eben auch mit viel Schminke keine “Prenzlberg-Hipster-Braut” und beim einmal zu oft auf die Knie gehen müssen irgendwo ein paar Bänder gerissen sein.
Farblos wie der Plänterwald im Dezember liegt sie da, die alte Dame, das Blattwerk welk und vermodernd, aber dennoch voller verborgener Kraft, die eines Tages wieder Knospen sprießen lässt wie Bäume im Frühjahr neu austreiben. Mag im Moment auch niemand an die Wiederauferstehung der alten Dame glauben, sie bleibt ein schlafender Riese. Gönnen wir ihr also ein wenig Erholung, in ihrem biblischen Alter von 130 muss man sich von Feiern etwas länger erholen. Spätestens wenn der liebliche Klang von Likörschalen wieder wahrgenommen wird, dürfte auch der Puls unserer alten Dame wieder hochschnellen. Ne Mampe und ein Eierlikör, dann wird das schon wieder.
Schönen zweiten Advent und HaHoHe, Euer Opa