(opa) Drei Siege in Folge gab es schon seit 5 Jahren nicht mehr, zuletzt gelang dies 2019 unter Trainer Ante Covic. Und niemand hat etwas dagegen, wenn auch Sieg Nummer 4 dazukommt. Oder Sieg Nummer 8, das ist die bisher längste Serie von Siegen in einer Saison, 1980/81 war es gegen Teams wie Oberhausen, Bocholt, TeBe, Fortuna Köln und Viktoria Köln. Die älteren unter uns erinnern sich. Doch genug der Nostalgie, die Gegenwart ist (wieder) schön. Trainer Leitl gab dem Team einen erkennbaren Matchplan mit, die Balance zwischen Offensive und Defensive passte perfekt und ein herausragender Fabian Reese machte ein Tor der Marke “eiskalte Hundeschnauze” zum mit der Zunge schnalzen schön. Oder wie es der olle Berliner (“wer ruft mir?”) “Joethe” im Faust formuliert hat:
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
So also ist die Achterbahnfahrt der Hertha gerade auf einem Höhepunkt, von dem man jeden Sekundenbruchteil genießen sollte. Denn spätestens am Ende der Saison wartet das bittere Ende. Die finanziellen Notwendigkeiten wie die Umschuldung der Anleihe oder die Abfindung von Fredi Bobic werden von diesem Team kein Stein auf dem anderen lassen. Reese MUSS weg, Maza wird weg sein, Scherhant und Winkler vermutlich auch. Und jeder andere, wo jemand mit einem Bündel Geld wedelt. Also genießt es wie die Musik auf der Titanic, die bis zum Untergang spielte.
Aus dem einstmals stolzem Lieblingsverein der Berliner ist nur ein Schatten übrig geblieben. Wie der Glanz des alten West-Berlins, der nach der Wende überstrahlt wurde vom Hochglanz des Potsdamer Platzes oder der “alten Mitte” Berlins mit Staatsoper, Kronprinzenpalais und dem Disney-Schloss. Vermutlich wird man warten müssen wie bei den Brutalismusbauten der 60er Jahre, die langsam wieder chic werden und bei denen die älteren seufzend an Billy Wilders “Eins, zwei, drei” denken. Herthas Rückkehr auf den Berliner Fußball-Olymp wird wohl eine Generationenaufgabe werden, umso wichtiger ist es, noch ein paar Erfolgserlebnisse mitzunehmen, die man ungläubig dreinblickenden, jüngeren Fans erzählen kann.
Die nächsten Jahre werden hart, brutal hart. Sportlich in die Bedeutungslosigkeit gefallen, finanziell mal wieder überhoben, wird man den Spagat hinbekommen müssen, in einem für modernen Fußball nicht optimal geeigneten und schlecht vermarktbaren Stadion sich finanziell wie sportlich zu konsolidieren und dabei Talent um Talent ziehenlassen müssen, um sich derweil der Hoffnung hinzugeben, entweder selbst aus dem eigenen Nachwuchs Nachschub liefern zu können oder aber unentdeckte Rohdiamanten zu finden, denen man unter Ernte sportlicher Rendite den letzten Schliff verpassen kann. Unmöglich ist das nicht, aber Hertha ist da draußen nicht allein bei diesem Plan. Die einzige Alternative zu dieser Rosskur? Nein, über dieses Szenario möchte man sich keine Gedanken machen.
Genießen wir lieber noch einmal den Rückblick auf das Kölnspiel. Wo wir phasenweise mit 10 Mann in der Kölner Hälfte standen und dennoch defensiv nix anbrannte. Auch weil Ernst den Sieg festhielt, wenn er etwas zu tun bekam. Allein die Tatsache, dass die Kölner nach dem Spiel alle pappesatt bedient waren, war ein Fest. Dass man sie auch noch damit verhöhnen kann, dass der Rheinländer Preusse ist, ist nur die Kirsche auf der Torte mit Schokostreussel und Sahnegarnitur. “Und wenn et Trömmelsche jeht…” klang es bestimmt bei dem einen oder anderen Herthaner nach dem Sieg, nur dass die Liedzeile mit “Kölle am Aasch” statt Alaaf endete.
Gegen kaum ein Team macht es auswärts mehr Spaß zu gewinnen. Die Auswärtsfahrten nach Köln waren in meiner Erinnerung einige der schönsten. Drumherum entspannte Kölner, die wissen, wie das mit dem Fahrstuhlfahren zwischen den Ligen geht, deren Anspruch zwischen Wunsch Champions League und Wirklichkeit 2. Liga changiert, aber im Gegensatz zu den Hamburgern auf so sympathische Art und Weise, dass man ihnen nachsieht, dass sie ein überteuertes, bierähnliches Getränk in Reagenzgläsern durch miesmütige Kellner ausschenken lassen, wobei man sich sorgen muss, das Glas nicht zu verschlucken. Auch, wenn mir einiges am Kölschen Klüngel auf den Keks geht, gebe ich es offen zu: Ich bin ein klein wenig neidisch auf den Kölner Lokalpatriotismus. Man stimmt ein Lied an und die ganze Kneipe schunkelt. Viva colonia!
Aber wenn es um Fußball geht, gilt nur HaHoHe! In diesem Sinne verbleibe ich, Euer Opa