(opa) Bei der Frage, ob ich einen Spieltagsnachleseopener oder einen versöhnlichen Weihnachtsgruß schreibe, hab ich mich für den Kompromiss entschieden, beides in einem zu schreiben. Als Mann träume ich schließlich von einem 47-in-1 Präparat, mit dem man duschen, Haare waschen, die Haut pflegen, Zähne putzen, quietschende Türen reparieren, den Motor abschmieren, des Rasen düngen, den Pool chloren, als Brotaufstrich verwenden und als Augentropfen benutzen kann. Warum also nicht ein unentschieden ausgegangenes, ödes und dröges Abschlussspiel gegen einen Gegner aus einer der langweiligsten Städte unseres Landes irgendwie besinnlich beschreiben? Nichts leichter als das?
Im unveränderten 4-2-3-1 schickte Trainer Fiel seine Elf auf den Rasen, die über 90 Minuten wacker kämpfte. Mal mit dem Gegner, mal mit dem Spielball, mal mit sich. Hertha erspielte sich durchaus viele Chancen, zog seinen Stiefel des Ballbesitzfußballs durch, doch in der roten Zone ist Hertha derzeit gefährlich wie eine Kinderbastelschere. Torschüsse gingen entweder weit daneben oder weit drüber, aber nicht aufs oder geschweige denn ins Tor der nach einem Kaltblut benannten Leinestädter. Vielleicht hätte man unseren Spielern sagen müssen, dass man Hannoveraner prima dressieren kann. Der Zeugwart hätte sicher ein paar Leckerlis organisieren können. Stattdessen hatte man wohl auch vergessen, unseren Spielern den Hinweis mitzugeben, dass Hannoveraner hervorragend Springen können. Ein Hoch auf den Standardtrainer.
Ein einziger gefährlicher Kopfball in Richtung Hannoveraner Tor gelang dennoch. Wenngleich ohne zählbares Ergebnis. Wobei einen Punkt gab es ja, so dass Hertha mit 22 Punkten sich in der Herbsttabelle im gesicherten Mittelfeld bewegt. In Liga 1 wäre wohl jeder zufrieden gewesen, aber Hertha bewegt sich im Unterhaus des deutschen Fußballs, leistet sich trotz überzogenem Dispo und jeder Menge Schulden dennoch weiter einen der teuersten Kader und hat, daran sei erinnert, sich Ende der letzten Saison vom Trainer getrennt, weil man sich angesichts dieses Settings “mehr versprochen” hat.
Trainer Fiel hingegen, es sei daran erinnert, dass wir rund eine halbe Million Ablöse gezahlt haben sollen, bekam von Sportdirektor Weber einen Freifahrtschein, der ihm unabhängig vom gestrigen Auftritt den Job über den Jahreswechsel hinaus garantierte. Mehr versprechen kann man wohl nicht, wenngleich sich schon die Frage stellt, was am Setting genau sich denn verändert haben soll. Gut, da sind die vielen Verletzungen, die bei uns Leistungsträger treffen, neben Reese fehlen Brooks, Dudziak und Winkler, dazu einige Spieler, bei denen es wie bei Karbownik nur für ein paar Minuten Einsatz reicht.
Erschwerend seit gestern kommt hinzu, dass zum nächsten Spieltag auch die Innenverteidigung erneut umgebaut werden muss, weil Marton Dardai ein einigermaßen absurdes gelbrot gesehen hat. Schiedsrichter Schlager, der ohnehin nicht den besten Eindruck hinterließ, fasste eine zum Mitspieler gemeinte Äußerung des Deutschungarn wohl als eine gegen sich gerichtete Majestätsbeleidigung auf und schickte Dardai vorzeitig duschen. Und mit Kenny und Klemens drohen die nächsten aus dem Defensivverbund bei der nächsten gelben Karte gesperrt zu werden. Die Anzahl gelber Karten kann man zudem auch als Indiz für eine Überforderung des Defensivverbunds sehen. Oder der Schiedsrichter.
Aber das ist ein anderes Thema und würde mir zu viele zotige Bemerkungen zum Thema VAR entlocken, der das Spiel zwar anders, aber keinesfalls gerechter gemacht hat. So wie Stadien ohne Laufbahn eben auch keine Mannschaft unbedingt besser machen oder für einen Punktebonus sorgen. Zumal weit entfernte Zuschauerränge im Fall von Hertha gleich zwei Vorteile haben: Für die Zuschauer, die sich das Dargebotene nicht so genau ansehen müssen und für die Spieler, die deshalb für den dargebotenen Käse nicht ganz so laut ausgepfiffen werden können. Winwin at it’s best?
Aber wir wollten ja besinnungslos, äh, besinnlich werden. Gibt es denn positives zu vermelden? Nun, die Handschrift des Trainers ist zu erkennen. Das meine ich ganz unironisch. Fiel will Ballbesitzfußball mit offensivem Schwerpunkt spielen lassen und in vielen Partien ist das durchaus zu sehen, was man will. Scheitern tut dies nicht selten am Können. Schlampige Pässe, kniehoch in den Rücken des eigenen Mitspielers gespielt, hindern nicht selten erfolgreiches Aufbauspiel oder Abschlüsse. Dazu kommt, dass unser bester Stürmer Niederlechner ist, der zwar immer will, aber oft nicht kann. Und wenn man die Alternativen bei der Arbeit betrachtet hat, weiß man, es wird nicht besser. Wobei das Erobern zweiter Bälle durchaus etwas mit dem System zu tun hat und hier viel zu oft ein Abpraller ins Leere kullert, anstatt aufs Tor gedroschen zu werden. Nur wenn da keiner ist, kann auch keiner schießen.
Positiv zu vermelden sind auch die Entwicklungen einiger Spieler. Da wäre allen voran Derry Scherhant, der anfangs erfolglos zum Mittelstürmer umgeschult werden sollte und sich nun als Linksaußen festgespielt hat, allerdings auf Abruf, denn sobald Reese fit ist, dürfte dieser gesetzt sein und die Frage “wohin mit Scherhant?” aufs Tapet heben. Nach rechts, wo Cuisance von gestern mal abgesehen, eine überragende Saison spielt? In die Mitte, wo er schon einmal nicht funktionierte? Das dürfte eine der kniffligsten Entscheidungen sein, zumal im ungünstigsten Fall am Saisonende sowohl Reese als auch Scherhant das Weite suchen.
Positiv auch ist die Entwicklung der Außenverteidiger zu sehen, zumindest, wenn man als Absprungpunkt mal den Saisonbeginn und das Zweitliganiveau sieht. Zeefuik kämpft und ackert sich zum Erfolg. Zwar muss er häufiger mal “notgrätschen”, was die 7 gelben Karten (und eine Rotsperre im DFB Pokal) manifestieren, aber was ihm an Laufwegintelligenz und spielerischer Klasse fehlt, macht er durch unermüdlichen Einsatz wett. Dass er mal für 4 Mio. € Ablöse aus Groningen geholt wurde und hier lange sicher viel zu viel Geld verdient hat, lassen wir mal unerwähnt.
Ein ähnlicher Kandidat ist Kenny, der Peter Pekarik nicht mehr vermissen lässt. Defensiv eine Bank, sich dosiert ins Offensivspiel einbringend, ein gutes Auge für das, was um ihn herum passiert, ein wirklich herausragender Spieler. Und dennoch strahlt er immer wieder aus, dass er als Everton Eigengewächs das Gastspiel im deutschen Unterhaus irgendwie unter seiner Würde hält. Wobei er das mit den meisten Herthafans gemeinsam haben dürfte, von denen auch immer noch sehr viele glauben, bei Hertha handelte es sich um einen schlafenden Riesen, der nur nicht richtig wachgeküsst worden sei. Nur wenn jemand sehr lange schläft, kann es sein, dass sich Ausdünstungen entwickeln, die nicht zum Wachküssen einladen.
Aber wir wollten ja positiv in die Besinnungslosigkeit, äh, Besinnlichkeit. Maza, unser Juwel, dessen Marktwert gerade noch einmal nach oben korrigiert wurde und um den sich gerüchteweise die halbe Premier League und spanische Clubs kloppen sollen. Nicht selten endeten solche Herthaspieler dann allerdings in Hoffenham oder Wolfspool. Oder wie Yanni Regäsel im Dreisprung über die Stadt mit der offensten Drogenszene beim TuS Bövinghausen. Aber Maza werden hoffentlich alle dieser Schicksale erspart bleiben. Gereift zum Juwel unter dem Druck der Last der Verantwortung und geschliffen durch die Härte der zweiten Liga möge er zur steilen Weltkarriere ansetzen und den Namen Hertha BSC in alle Welt tragen.
Und bevor ich nun noch mehr Lob an die Mannschaft verteile, ist es Zeit, mich bei Euch zu bedanken. In wenigen Tagen haben wir bei Herthaimmer zudem wirklich etwas zu feiern, denn zwischen den Tagen haben wir bereits unseren 5. Geburtstag! Als vor 5 Jahren unser alter Blogpapi ankündigte, dass unsere Community entsorgt wird, hat sich wohl niemand träumen lassen, was aus unserem hastig ins Wasser geworfenem Rettungsring einmal entwickeln würde. Mein Dank gilt allen, die daran mitgewirkt haben und immer noch mitwirken, mal öffentlich wie unser sunny, ohne dessen Spieltagsopener ich hier wirklich etwas zu tun hätte und die wohl niemand missen mag. Verlässlich wie ein Uhrwerk liegt pünktlich am Vorabend von Spieltagen sein liebevoll zusammengestellter Opener bei mir im Postfach. Vielen Dank, lieber sunny und frohe Weihnachten Deiner Wolke und Dir.
Und natürlich gilt mein Dank all denen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass der Laden hier läuft, die Updates einspielen und wenn es mal klemmt, genauso schnell zur Stelle sind wie sie sich sonst im Verborgenen aufhalten. Danke an @TheRocket (und weiter gute Besserung) und @DBechstein für Euren Einsatz. Wenn ihr mal nicht mehr seid, mach ich den Laden dicht, zumindest wenn ich das dann noch hinbekomme 😉
Last, but not least: Danke Euch allen, die ihr dieser Community mit Euren Kommentaren den Lebenssinn einhaucht, die genau von diesem Dialog lebt, der Gedanken am Trudeln hält. Und ich bin auch immer wieder stolz, wenn wir zum Teil über Jahrzehnte eingeschliffene Rivalitäten entschärfen können und sich verkanteter Meinungsaustausch zumindest ein Stück löst. Was wir hier im Kleinen praktizieren, sollte Vorbild für den Dialog im Großen sein, es würde unserer Gesellschaft gut tun. Und vielleicht erinnert sich der eine oder andere an der Festtafel daran, dass man es mit Andersdenkenden und Andersmeinenden durchaus in einem Raum aushalten kann.
So, nun aber auf ans Werk. Erledigt Eure letzten Einkäufe, ran ans Kochen, Geschenkeverpacken, Dekorieren und rein in den gemütlich-hässlichen Weihnachtspulli, der Euch nach den Feiertagen vor lauter Schlemmerei nicht mehr passen soll. Schönhamwas. Wenn uns schon unser Herzensverein keine schönen Momente beschert, beschenken wir uns eben selbst. Und falls noch jemand eine Inspiration für seine Weihnachtskocherei benötigt, hier als Inspiration mein diesjähriges Weihnachtsmenü:
hoeur d’oeuvres: Austern mit Champagneraperitif
Suppe: Mediterrane Fenchelschaumsuppe mit Fisch und Meeresfrüchten
Vorspeise 1: Zweierlei Minikrautwickel mit Fischfüllung und Parmesankartoffelstampf, dazu Riesling von der Mosel
Vorspeise 2: Gratinierter Langustenschwanz mit Safransauce
Zwischengang: rosa pouchiertes Entencarpaccio mit Steinpilzen und gehobeltem Parmesan, dazu Rosé aus der Pfalz
Hauptgericht: Gänsebrust auf dreierlei Kohl, dazu einen Primitivo aus Apulien
Dessert: Spekulatius Panna Cotta und Lebkuchentiramisu, dazu Digestif und Espresso
Wenn ich zum 5jährigen Jubiläum die Hose wieder zubekomme, lesen wir uns wieder. Wenn nicht, dann ohne Hose 🙂 Gut, dass das hier ohne Bilder ist.
Von Herzen frohe Weihnachten Euch allen, genießt die Zeit der Besinnungslosigkeit, äh, Besinnlichkeit im Kreise Eurer Liebsten. Oder der Menschen, die eben da sind. Denkt im Zweifel daran, dass die Party vor rund 2000 Jahren in einem Stall stattfand und auch da Leute kamen, die nicht eingeladen waren. Und wenn ihr Eurem Weihnachtsfest einen Sinn geben wollt, dann bedenkt doch einfach den ärmsten Menschen (nicht Hertha!), den ihr kennt. Schreibt ein paar nette Zeilen und werft ihm anonym einen Briefumschlag mit einer kleinen Summe in den Briefkasten, die Freude ist garantiert. Bei Euch und dem Beschenkten.
Hohoho, äh, HaHoHe, Euer Opa