(opa) Dieser Tage wollten einige von Euch eine Abstimmung darüber, ob der Trainer abgelöst werden soll. Ich habe mir lange darüber Gedanken gemacht und mich zumindest vorläufig dagegen entschieden. Wäre ich Klinsmann, hätte ich mit “kein Mehrwert” vielleicht einen passend-knackigen Grund. Aber so einfach mache ich es mir nicht. Denn die Dinge haben sich etwas komplexer verkantet, als dass man es nur mit einem Trainerrauswurf erledigen könnte. Gestern sickerten Meldungen über Interna durch, dass es innerhalb des Teams wohl gekracht hätte.
Abgesehen davon, dass es dazu verständlicherweise keine offiziellen Aussagen gibt, zeigt das aber auch vor dem Hintergrund der Aussagen von Kapitän Toni Leistner doch, dass offensichtlich Kräfte zu wirken scheinen, bei denen vortrefflich spekuliert werden kann, inwiefern diese “gegenläufig” sind. Die Grenze zwischen gewünschtem Reizpunkt und toxischem Klima kann dünn und fließend sein, zumal es ganz offensichtlich ist, dass es bei Hertha gewisse Hierarchien zu geben scheint, die es zum Erreichen eines gemeinsam Zieles zu einen gilt.
Da sind zum einen die “Stars” des Teams, zu denen neben Reese auch Spieler wie Maza und Scherhant gehören, mit Abstrichen dürften auch Demme, Kenny oder Brooks in diese Kategorie fallen. All diese kokettieren mehr oder weniger damit, dass sie zu höherem berufen wären und all diese Spieler können, sofern sie tatsächlich auf dem Platz stehen, gleichzeitig für den Rest des Teams eine Ausrede sein, sich hinter diesen zu verstecken, obwohl diese gleichzeitig die Unzulänglichkeiten ihrer Mitspieler auszugleichen im Stande sind. Exemplarisch dafür stehen zum Beispiel unsaubere Zuspiele, mit denen Spieler wie Maza, Scherhant oder Reese dennoch mehr anzufangen wissen als andere.
Auf der anderen Seite sind die “Silbernacken”, die wissen, dass zum Zweitligaalltag eine professionelle Einstellung gehört und dass man auch in Liga 2 die extra Meile laufen und teamdienlich denken muss, wenn man Erfolg haben will. Neben Wortführer Leistner dürften in diese Kategorie Spieler wie Niederlechner und mit Abstrichen Prevljak gehören, die wissen, dass es auf dem Platz um mehr geht, als den eigenen Marktwert zu steigern, indem man Kunststücke aufführt.
Dies auszubalancieren wäre Aufgabe von Trainer und vom Teammanagement. Mangelnde Leidenschaft kann man Trainer Fiel sicher nicht vorwerfen, nicht einmal ein mangelndes Konzept würde ich ihm andichten wollen, denn nicht selten hat er sich beklagt, dass die Spieler nicht das umsetzen, was man gemeinsam beschlossen hätte. Hier scheint die Ursache in den Köpfen und der Mentalität der Mannschaft zu stecken und genau die Dinge wie diese sind es, die (neben üppigen Budgets) dafür sorgen, dass Manager im Fußball ziemlich gut bezahlte Experten sind.
Oder zumindest sein sollten, denn in der Hierarchie bei Hertha sind sowohl der Sportdirektor als auch der Teammanager in die zweite Reihe zurückgestuft worden, wobei unklar ist, wie sich das auf deren Autorität und auf deren eigene Motivation auswirkt, denn sie sind ja “nur” in der zweiten Reihe. Andererseits sind einige Gefälligkeiten zu beobachten gewesen, die den Leistungsgedanken bei Hertha durchaus in Frage stellen. Die vorzeitige Vertragsverlängerung könnte man so deuten. Der Standardtrainer ist ein weiteres Beispiel dafür, ein anderes die Rückholung eines Ex-Spielers und dessen Integration in die U23, der eher mit fragwürdigen Mätzchen auf und neben dem Platz aufgefallen ist. Ein anderes Beispiel waren bzw. sind die Verflechtungen von Familie Dardai, wo der Vater über die Einsätze seiner Söhne entscheiden konnte. Die davon ausgehenden Signale können sich schon außerhalb des Leistungssportgedankens verheerend auf die Teampsyche auswirken, was das sportlich bewirken kann, dem durften wir in den letzten Jahren beiwohnen.
Nun hat sich bei Hertha in den letzten eineinhalb Jahrzehnten eine Führungskultur etabliert, die keinen “starken Mann” mehr duldet. Wobei dabei sträflich aus den Augen gelassen wurde, dass dies kein Selbstzweck ist und auch nicht sein darf. Gemeinschaftliche Führung kann eben auch bewirken, dass niemand Verantwortung tragen will oder muss. Und es fängt irgendwann an, dass sich eine Wagenburgmentalität herausbildet, in der man sich gegenseitig gegen Kritik in Schutz nimmt. Das ist das Klima, in dem das Verbrennen von 374 Mio. € (eigentlich zzgl. 75 Mio. € von 777) möglich ist, aber eben trotz Rekordbudget auch lediglich durchschnittliche Ergebnisse in einer unterklassigen Liga, für die man sich zu gut hält.
Wer glaubt, dass diese Mentalität nicht auch irgendwo bei den Spielern auf dem Platz eine Rolle spielt, unterschätzt die hierbei wirkenden Kräfte. Spieler eines Teams sind auch immer Rivalen, die sehr genau beobachten, wer für welche Leistung belohnt wird und wer wie in der Hierarchie steht. Und die sich entsprechend verhalten, mal bewusst, mal unbewusst, letzteres ergibt sich zwangsläufig daraus, dass wir Menschen nicht die kühl-rationalen Wesen sind, für die wir uns nicht selten fäschlicherweise halten.
Andererseits kann Rivalität eben auch leistungssteigernd sein, das gilt im Management genauso wie auf dem Platz. Die Grenze ist jedoch dünn und kaum etwas ist leistungsfeindlicher als ein Management, welches Minderleistung duldet. Das schafft ein Klima, in dem sich viele hinter Leistungsträgern verstecken, in dem aber keine Teamleistung erbracht wird. Gift für Teamsportarten, weil es alle schlechter macht. Das zu managen ist Führungsaufgabe, die neben dieser Erkenntnis eben auch eine entsprechende Persönlichkeit mitbringen müssen. Vielleicht hatte ein Kay Bernstein diese Fähigkeit, aber hat sie auch der jetzige Amtsinhaber?
Herthas Mitglieder haben hier ganz bewusst auf der letzten Mitgliederversammlung eine Entscheidung getroffen, dass der Weg im Zweifel auch ohne eine solche Persönlichkeit fortgesetzt werden soll und man hat damit auch die vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem (bewusst geschwächten) Management goutiert. Das Ergebnis sehen wir auf dem Platz. Kein Trainerwechsel würde daran etwas verändern, keine personelle Verstärkung würde daran etwas ändern, keine Systemumstellung würde daran etwas verändern. Hertha verliert im Kopf. Vielleicht auch, weil man keine anderen Köpfe zulassen will.
Mag sein, dass diese Diagnose falsch ist. Und es mag sein, dass es frustrierend ist, wenn man zwar eine Diagnose, aber keine Therapie hat. Aber so ist das Leben und vielleicht ist Herthas Leidensdruck weiterhin nicht groß genug, um Änderungen zu ermöglichen. Viele herzinfarktgefährdete Patienten scheitern auch an der präventiven Veränderung ihrer Lebensweisen, bis die Gesundheit ein anderes Leben von ihnen abverlangt. Oder es eben auch beendet. Menschen sind nicht die kühl-rationalen Wesen, für die sie sich immer halten. Weshalb sollte es dann der eigene Herzensverein sein?
HaHoHe, Euer Opa