(opa) Als gestern die Partie angepfiffen wurde, pfiff mir bei 20° und bestem Sonnenschein eine leichte Meeresbrise um die Nase, weil ich ob des trüben Nieselwetters in Berlin zu einem spontanen Nikolausausflug übers Wochenende nach Mallorca aufgebrochen war. Ich hatte kurz überlegt, ob ich mir das Spiel live ansehen sollte, hab mich dann aber ob des grandiosen Wetters anders entschieden. Als die Nachricht kam, dass Hertha in Führung ging, fuhr ich an einer mit “Villa Mimosa” benannten Immobilie vorbei und stellte beim Blick auf die Livetabelle fest, dass Hertha zu diesem Zeitpunkt auf Platz 4 der Tabelle stand, wo mir der an die Weisheit Nürnberger Fans (“Lieber Fünfter als Fürther”) erinnernde Spott für die Überschrift einfiel, wohlwissend, dass unsere alte Dame eben auch eine Mimose sein kann.
Dass die Spieler beim dritten Auswärtsspiel in 8 Tagen platt waren, zumal nach dem kräftezehrenden Pokalspiel mit Verlängerung, wo man fast zwei Stunden in Unterzahl bestehen musste, war beinahe zu erwarten. Die ohnehin verletzungsgebeutelte Mannschaft pfiff auf dem letzten Loch und der zweite Anzug reicht offensichtlich nicht, um höheren Ambitionen zu genügen. Dennoch sollte man das nicht zum Anlass nehmen, auf die Spieler einzudreschen. Die haben sich schließlich weder verpflichtet noch taktisch aufgestellt. Schuler z.B. war sicher eher als Backup geplant, was im Übrigen auch erklärt, weshalb er trotz des Abgangs von Tabakovic eben nur als Joker kommt.
Aber der gemeine Fußballfan ist eben auch eine Mimose und reagiert auf Phasen der Erfolglosigkeit bisweilen schreckhaft wie ein scheues Reh. Dabei bedarf jede Entwicklung neben Raum auch Zeit. Und auch denjenigen, die die verbliebenen Millionenbudgets bei Hertha verantworten, sollte man ein klein wenig Beinfreiheit einräumen. Dass sich etwas entwickelt, dürfte unstrittig sein. Unter Trainer Fiel wird anderer Fußball gespielt als unter seinem Vorgänger. Derzeit nicht erfolgreicher, aber berücksichtigt man den langen Ausfall und die Abgänge von Leistungsträgern, sieht die Bilanz schon ein klein wenig anders aus.
Dass man derzeit in der Tabelle im Niemandsland herumkrebst, sollte übrigens ebenfalls kein Grund sein, Trübsal zu blasen. Ein Sieg kann das Team schnell wieder oben rankriegen, wichtig ist, den Rückstand nach oben nicht weiter anwachsen zu lassen. Mit jedem Spieler, der aus der Verletzung rauskommt, erhält Trainer Fiel Potential in die Hand. Der Druck auf den Trainer, dem Spötter unterstellen, er habe mehr Freundschaftsbänder als Erfolge, ist enorm. Business as usual. Aber er liefert trotz nicht unerheblich gekürztem Budget mindestens mal ähnliche Ergebnisse wie sein Vorgänger. Und er baut konsequent Jugendspieler ein, Maza musste unter Fiels Vorgänger noch Extraschichten einlegen und kam über Jokerauftritte kaum hinaus. Bemerkenswert auch die Entwicklung von Scherhant, der unter Fiel zuverlässig liefert. Klemens sei auch lobend erwähnt, der sich festgespielt hat.
Diese Spieler werden zudem bei der immer noch erforderlichen finanziellen Konsolidierung positiv bemerkbar machen, denn die Erlöse aus deren Verkäufen werden helfen, den Verein am Leben zu erhalten. Dass man derzeit die sportliche Rendite hebt, kommt on top dazu, auch wenn der Tabellenplatz eher ernüchternd wirkt, aber vielleicht fehlt genau dieser nüchterne Blick dem einem oder anderen während der Spieltage. Das soll bitte nicht als Vorwurf verstanden werden. Der Fußballfan hat ein Recht auf seine subjektive Wahrnehmung und seine Befindlichkeiten. Bisweilen hilft es aber bei der Einordnung, etwas abzuklingen oder mal durchzuatmen wie ich es derzeit auf der Insel tue, die man als 17. Bundesland bezeichnet (wobei das ja eigentlich aus Sicht von Heimatvertriebenen das 21. sein müsste 😉 , aber das Fass lassen wir definitiv zu).
Das Fazit der Woche ist daher eben einigermaßen nüchtern. 3 Spiele, 1 Sieg, zwei Niederlagen ist weniger als das, was dem eigenen Anspruch nach hätte passieren müssen. Dass die Niederlage in Köln mindestens mal genauso “aaaschknapp” war wie die Lage der Liga ist, sollte man aber eben auch nicht unter den Teppich kehren. Und so ist mein Glas beim derzeitigen Blick auf unsere Hertha eher halbvoll, beim Schreiben gestern Abend erst mit einem wunderbaren El Coto aus dem Rioja, abschließend mit der spanischen Variante eines Fudschi mit Osborne Veterano und Pepsi zero, die als Getränke meine Tapas wie Serranoschinken, Chorizo, Aioli und in Essig und Öl eingelegte Anchovis begleiten.
Und allein an der Tatsache, dass es hier in Spanien keinen einzigen Verein namens Hertha gibt, zeigt, wie arm die Spanier sind, die schließlich nicht einmal zu den G7 gehören. Dafür haben sie hier die Villa Mimosa, das Mittelmeer und ordentlichen Wein. Man kann nicht alles haben, aber ich hab derzeit lieber spanische Wochenenden als englische Wochen. Ich werde hier noch ein wenig mein Schicksal in Demut erdulden und sende Euch mit meinen Grüßen zum zweiten Advent ein donnerndes
HaHoHe, Euer Opa