(opa) So ziemlich jeder Herthaner haderte am Samstagnachmittag wohl mit dem Ergebnis des Spiels gegen Ulm. Man ging zweimal gegen die Domstädter in Führung, zweimal glichen sie aus und als man dachte, man habe den Siegtreffer gelandet, schaltete sich der Kölner Keller ein und pfiff das Tor zurück, weil Torschütze Cuisance beim Reinlaufen in den Strafraum seinen Gegenspieler geschubst haben soll. Schöne neue Welt, die wollten einige ja mit dem Hinweis, dass Hertha dann nicht mehr benachteiligt würde, das Ergebnis davon war am Sonnabend zu sehen. Bemerkenswert übrigens, dass sich vorher die Ulmer nicht wirklich beschwert hatten. Schöne neue Welt.
Den Zuschauern im Stadion muss man wohl Mitleid entgegenbringen, das nasstrübkalte Wetter am Vortag des Totensonntags lud eher dazu ein, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen als ins Stadion zum Zweitligamatch zu fahren, zumal die öffentlichen Verkehrsmittel in unserer auch sonst nicht selten dysfunktionalen Stadt gerade etwas eingeschränkt fahren. Sie bekamen bei gefühlten Temperaturen um den Gefrierpunkt nach immer noch reichlich langsamem Einlass eher magere Kost serviert. Man muss schließlich sparen und Hertha fängt beim Spaß als erstes an.
Und so erlebten die Zuschauer eine durch viele Verletzte dezimierte Mannschaft, die sich über weite Teile des Spiels irgendwie gehemmt zeigte, den Fußball zu spielen, den der Trainer gern spielen wollen lassen würde. Vielleicht traut man der Idee nicht, vielleicht den eigenen Fähigkeiten, vielleicht den Mitspielern und so tauchten selbst sonst für unsere Verhältnisse eher herausragende Spieler wie Maza oder Cuisance farblos im Novembergrau ab. Wenn dann der Torwart noch einen schlechten Tag erwischt, während vor ihm die Notverteidiger agieren, dann schafft es selbst ein Team wie Ulm uns zwei einzuschenken. Das kann niemanden wirklich zufriedenstellen, zumal man wieder einmal die Chance verpasst hat, sich im oberen Tabellendrittel festzuspielen.
Stattdessen ist der Tabellenplatz grau und trist wie das trübe Novemberwetter. Und die Aussichten werden nicht zwingend besser. Zwar ist demnächst mit der Rückkehr von Fabian Reese zu rechnen, andererseits sickern Gerüchte durch, dass Maza im Sommer für eine festgeschriebene Ablöse gehen kann und man sich daher damit beschäftigen muss, ihn ggf. im Winter ziehen zu lassen, was Herthas Mittelfeld doch durchaus spürbar schwächen würde. Aus dem “Berliner Weg” wird dann ganz schnell “Berliner weg”. Das könnte auch für Derry Scherhant gelten, der nach Rückkehr von Reese dann mit der Rolle des Edeljokers vorlieb nehmen oder sich mit Niederlechner und Schuler um den Platz im Sturmzentrum streiten müsste, wo er zuletzt nicht wirklich glänzte. Schuler allerdings auch nicht und Niederlechner ist einfach nur der am wenigsten schwache Spieler derzeit.
Sorgen bereiten weiterhin die personellen Ausfälle, vor allem auf den Defensivpositionen. Man flattert sich da durch den Ligaalltag und hofft, dass man die Gegner irgendwie davon abhalten kann, Tore zu schießen und ist auf deren Unvermögen ein klein wenig mit angewiesen. Klappt nicht immer und selten überzeugend, aber angesichts der Personaldecke bleibt kaum etwas anderes übrig, zumal ein richtiger 6er in Fiels Spielsystem nicht vorgesehen ist, welches immer noch eher im Angriff die beste Verteidigung sieht. Vielleicht groovt sich das in der Rückrunde mit den Rückkehrern alles wieder ein, vielleicht fehlen aber am Ende genau diese Punkte wie am Samstag, um an die Fressnäpfe der ersten Liga zurückzukehren, an die man muss, wenn man sich weiter diesen Apparat leisten will.
Wobei sich nicht wenige fragen, wofür man sich diesen Apparat leistet, der zuletzt zudem mit einer Gehaltserhöhung belohnt worden sein soll. Die Frage, wofür, stellt sich dabei schon angesichts dann doch eher stagnierender Entwicklung. Eine Frage, die vor allem die aus dem neu gewählten Präsidium beantworten müssen, die kurz vor der Wahl Verträge verlängert und mit Nachschlag belohnt haben. Die Mitglieder haben diesen Weg mit großer Mehrheit bestätigt, sie sollten sich daher nicht wundern, wenn sich nichts ändert.
Und so taumelt Berlins schlafender Riese mal wieder dem Winterschalf entgegen, der Bär in Hertha dürfte derzeit etwa die Gefährlichkeit von Herthinho ausstrahlen. Naja, wenigstens erschrickt sich dann keiner. Lasst uns bald mit Glühwein anstoßen, nach dem Totensonntag beginnt der alljährliche Weihnachtswahnsinn von vorn. Last Christmas im Wechsel mit Werbeliedern eines Brauseherstellers, Weihnachtsmärkte und Weihnachtsfeiern, Stolle (die auf dem Teller nicht unterm Schuh) und Weihnachtspulli, Streit und Versöhnung. Irgendwie ist Weihnachten ja dann doch ein wenig wie Hertha. Oder lieber das ganze Jahr Totensonntag? 😉
HaHoHe, Euer Opa