Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2024, Allgemein, Spieltagsnachlese

Maximum Attack oder Apocalypse Now?

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(opa) Die Samstagabend-Partie auf dem Betzenberg entwickelte sich im Laufe des Spiels zum echten Krimi und war auf so wundervolle Art und Weise unterhaltsam und kurzweilig, weil da zwei Teams aufeinandertrafen, die trotz Rückschlägen nie aufsteckten, sondern bis zuletzt darauf drängten, den Bock umzustoßen. Kaum jemand hätte sich beschwert, wenn die Partie unentschieden ausgegangen wäre. Dass der Ausgang dann noch zu unseren Gunsten war, ist umso erfreulicher, weil man nun mit Ruhe in die Länderspielpause gehen kann. Denn so erfreulich das Ergebnis ist, so eklatant offen wurden die Schwächen des Teams, die 1. im Aufbauspiel liegen, 2. tritt eine atemberaubende Defensivschwäche in Erscheinung, die ganz schnell in negative Ergebnisse münden kann und 3. die vollständig harmlosen Standards.

Trainer Fiels Handschrift ist jedenfalls klar zu erkennen. Der finnische Rallyefahrer Markku Alén hat das mal “Maximum Attack” getauft. Bei eigenem Ballbesitz rückt die Mannschaft kollektiv nach vorn auf und alle am Aufbauspiel beteiligten Spieler sehen zu, dass sie anspielbar sind, was den Ballverteilern meist mehr als eine Möglichkeit eröffnet. Steckpässe zum Zungeschnalzen, Flanken mit dem Pantelic-Außenrist inclusive. Fußball, wie man ihn lieben muss. Und alles ohne, dass Herthas Superstar Reese auf dem Platz stand. Das Mittelfeld um Demme, Cuisance, Karbownik und Maza ist für Zweitligaverhältnisse top. Sogar der lang gescholtene Scherhant blüht auf und gewinnt an Selbstvertrauen. Und Kenny hat gestern zwei Torvorlagen geliefert!

Allerdings ist das gleichzeitig unglaublich gefährlich, weil wir in der Vorwärtsbewegung nicht selten den Ball verlieren und damit Umschaltsituationen für den Gegner zulassen. Weil wir dann zu hoch stehen, wird es schnell brenzlig. Diese Art zu spielen ist ein Ritt auf der Rasierklinge, das Momentum spricht für Fiels Idee, aber das kann eben sehr schnell ganz anders aussehen. Lauf- und vor allem sprintintensiv ist die Spielidee von Fiel obendrein. Um Spiele wie gestern die ganze Saison über zu erleben, muss die Belastungssteuerung genau im Auge behalten werden. Das hält in der Intensität kaum ein Team eine ganze Saison durch.

Das Haar in der Suppe des gestrigen Spiels ist der Defensivverbund, der nicht nur durchs hohe Aufrücken der eigenen Mitspieler im Fokus steht, sondern der eben mit Kenny und Zeefuik mit Kandidaten besetzt ist, die immer wieder mal für einen Bock gut sind. Und im Kopfballduell scheinen wir gänzlich blank zu sein, nachdem Kempf weg und Brooks noch nicht da ist. Gut, dass gestern wenigstens Torwart Ernst einen guten Tag hatte, dass er dreimal hinter sich greifen musste, ist ihm weniger anzulasten als seinen Vorderleuten.

Und dann sind da noch die Standards, für die wir uns seit über zwei Monaten einen extra Trainer leisten. Das gestrige Ergebnis lässt einen zweifeln, was den Output angeht. Ecken werden mittlerweile bevorzugt kurz aufgeführt, was angesichts der eklatanten Kopfballschwäche vielleicht die bessere Wahl ist, aber um den Ball zum Mitspieler zu tippen braucht es keinen extra Trainer, zumal die lang ausgeführten Ecken nicht da landeten, wo sie hin sollten.

Aber genug der Kritik, denn das Gefühl nach so einem Spiel wie gestern ist einfach zu gut. Es war eine Erlösung, als nach zwar unterhaltsamen, aber frustrierendem Verlauf des Spiels endlich das 3:4 fiel. Ham wa die verhaun’! Und mir wäre nach einem Meer von Taschentüchern gewesen, als ich die traurigen Lauterer Fans sah, mit denen sie auf dem Betzenberg unterlegene Gegner verhöhnen. Das tat richtig gut, deren hängende Köpfe zu sehen. So wie gestern könnte es gern immer sein. Unterhaltsames Spiel mit Maximum Attack und am Ende gewinnt Hertha.

Genießen wir also für zwei Wochen dieses Gefühl des Sieges, stecken uns eine Cohiba an und murmeln etwas wie “ich liebe den Geruch von Napalm am frühen Morgen”, dem berühmten Zitat aus Apocalypse Now, welches mit “ja, wie roch er? Nach Sieg roch er!” endet:

Kommt gut in und durch den Sonntag, genießt das sommerliche Wetter, schaut Formel 1 in Monza oder den Sport, den ihr neben Fußball noch mögt, seid gespannt auf die Wahlergebnisse am Abend und bleibt blauweiß!

HaHoHe, Euer Opa

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