Veröffentlicht am Kategorien 2. Bundesliga, 2023, Allgemein, Spieltag, Transfers

Silberstreif oder Déjà vu?

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(opa) Samstagabend rollte endlich wieder der Ball für unsere Hertha. In Düsseldorf waren gefühlt mehr bunte Sitzschalen zu sehen als Zuschauer, das Problem des leeren Stadions hat Hertha also nicht exklusiv, erschwerend dürfte hinzukommen, dass in NRW noch Sommerferien sind und viele Zeitgenossen sicher eher nicht bereit sein dürften, den Urlaub für ein Zweitligaauftaktspiel zu unterbrechen. Der harte Kern war auf beiden Seiten da und nahezu permanent erinnerte eine brennende Fackel auf beiden Seiten, dass da mal etwas war. Immerhin blieben diesmal die Elfmeterpunkte, Eckfahnen und Tornetze da, wo sie hingehören und Hunde auf dem Feld gab es auch keine. Allerdings änderte das am Ende nichts am Ergebnis, auch unter regulären Bedingungen konnte Hertha in Düsseldorf nichts zählbares holen.

Trainer Dardai schickte eine Mannschaft auf den Platz, die entgegen einiger Befürchtungen eher aus erfahrenen Recken denn aus grün hinter den Ohren seienden Akademiespielern bestand. Man schlug sich durchaus achtsam, kreierte die eine oder andere Chance, ließ sich aber auch in einer Situation vom nicht übermächtig wirkenden Gegner düpieren und kassierte den Gegentreffer. Lauf- und Kampfbereitschaft waren da, aber im Fußball geht es eben auch darum, Tore zu schießen und mit dieser Aufgabe fremdelt Hertha weiterhin. Und letztlich dürfte einige Fans aus der Vorsaison noch sensibilisiert sein, wo man sich angesichts des durchaus attraktiv anzusehenden, aber wenig erfolgreichen Fußballs von Trainer Schwarz auch lange in Sicherheit wog.

Kempf und Leistner als Innenverteidigung vor Torwart Christensen machten das ganze Spiel über weitgehend dicht, Zeefuik und Dudziak auf den Außenpositionen hielten bis auf eine Situation ebenfalls die Fahne der Stabilität hoch, setzten aber auch in der Vorwärtsbewegung Akzente. Letzteres war auch bitter nötig, denn das Mittelfeld aus Marton Dardai und Pascal Klemens wirkte schon eher nach “Jugend forsch” und Berliner Weg und agierte nicht immer mit dem Eindruck, dass man Bindung zum restlichen Team hatte. Für die Offensivabteilung waren auf den Flügeln die Neuzugänge Reese und der Rückkehrer Marten Winkler vorgesehen, die gemeinsam mit Richter das Offensivspiel und die Versorgung von Niederlechner in der Spitze besorgen sollten, was das ganze Spiel über ohne zählbares Ergebnis blieb, woran auch die Einwechslungen aller Trainersöhne und des Eigengewächses Derry Scherhant nichts änderten. Torschützen verzweifelt gesucht.

Man schlug sich achtsam, aber von Lob allein kann man sich wie in der Vorsaison nichts kaufen, wenn man auf der Leistung nicht aufbaut. Die Mannschaft lebt, sie reagiert, sie kämpft und sie läuft. Aufstiegsfavorit ist man nicht, aber man wird tendenziell auch nicht unter die Räder kommen. Fußballästheten werden dennoch nicht auf ihre Kosten kommen, aber diese Regalhöhe gibt es in Liga zwei ohnehin nicht, hier zählen andere Tugenden und von daher ist das Konzept “Familienbetrieb” vielleicht der richtige Ansatz, zumal ja ohnehin kein Geld da ist, um das Problem auf diese Art und Weise zu lösen.

Herthas sponsorenblanke Brust soll Gerüchten zufolge derweil wie Sauerbier von Vermarkter Sportfive angeboten werden. Schon eine Summe unter 2 Mio. € soll ausreichen, um ein Jahr lang Herthas Hauptsponsor zu werden. Einerseits eine verschwindend geringe Summe in Relation zum Profifußball, andererseits halt eben doch viel Geld für viele Unternehmen. Mit diesem Problem ist Hertha ja zudem nicht allein, auch die Mitabsteiger aus dem Ruhrgebiet hatten am Freitag im Auftaktspiel mit einem Brauereipartner nur einen Interimssponsor.

Inwiefern das schon Vorboten einer bevorstehenden Rezession sind und inwiefern das auch Ausdruck des Niedergangs des Deutschen Profifußballs sind, wo sich Zwergmannschaften wie Elversberg, Heidenheim und Co. in den höchsten Spielklassen tummeln dürfen, während Traditionsvereine mit bis heute riesiger Fanbase wie die Münchner Löwen, Kaiserslautern oder der ehemalige Rekordmeister Nürnberg im Nirvana tummeln, wird die Zeit zeigen, aber auch beim kommerziellen Vermarkter der Fußballrechte rechnet man bei der demnächst anstehenden Bieterrunde eher nicht mit steigenden Einnahmen, weshalb man sich auch bei seriöser wirtschaftenden und sportlich erfolgreicheren Vereinen wohl wird konsolidieren müssen.

Wobei Hertha ja nicht übern Berg ist und man nicht oft genug darauf hinweisen kann, dass die nächste Vergaberunde der Lizenz bereits im nächsten Frühjahr ansteht und das Zittern und Bangen dann weitergehen wird, denn viele Probleme sind nur gestundet und Investor 777 scheint nun auch nicht der potenteste Partner zu sein und wird tendenziell eher nicht Mittel über die zugesagten 100 Mio. € hinaus bereitstellen. Egal, wie die Saison sportlich endet, die entscheidendere Schlacht wird leider mit den Bilanzen geschlagen und Herthas Schicksal hängt weniger von dem ab, was auf dem Platz stattfindet als davon, wie die DFL entscheidet.

Wenn man das Auftreten am Samstag vor diesem Hintergrund sieht, war das doch ein munteres Schaulaufen und sich teuer verkaufen. Hertha hätte ein Remis verdient gehabt, die Chancen waren da und vielleicht hat die Niederlage zwecks Kalibration der Erwartungshaltung aber auch ihr Gutes. Schon am Freitag hat Hertha die Chance, Wiedergutmachung zu leisten. 19.000 Dauerkarten wurden verkauft, viele Fans können es kaum abwarten, endlich wieder im Stadion sein zu dürfen und wenn die Mannschaft so kämpft wie am Samstag, kann sie sich auch wie in der vergangenen Saison des erstklassigen Supports von den Rängen sicher sein. Nur Tore schießen sollte sie dennoch.

HaHoHe, Euer Opa

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