(opa) Noch dreimal schlafen, dann rollt für Hertha der Ball im ersten Pflichtspiel und die dafür erforderlichen Um- und Anbauten im Kader nehmen konkretere Formen an. Tousart spielt weiter in Berlin, aber unter anderer Farbe und auch Herr Freitag ist von der Payroll. Der Vertrag von Schwolow dürfte gegen entsprechende Kompensation beendet worden sein, der ist auch weg, was aber bedeutet, dass man auch wegen der Causa Gersbeck vermutlich Christensen nicht zu Geld machen können wird. Doch die Torwartsituation ist weniger dramatisch als in anderen Mannschaftsteilen. Außenverteidiger und Mittelfeldspieler sind weiterhin dringend gesucht und noch ein Dardai, den man verpflichten könnte, findet sich nicht.
Über den Umbau von Herthas BSC zum FC Dardai hatte ich schon vor Wochen an dieser Stelle geschrieben, nun greift auch der Tagesspiegel das Thema in diesem Beitrag auf und beleuchtet potentielle Risiken dieses Vorgehens, dass alle drei Dardaisöhne nun zum Profikader gehören und welche Kräfte da anfangen können zu wirken, die nicht nur zum Vorteil von Hertha BSC ausgehen können. Man kann diese derzeitige Kaderplanung positiv als “familiäre Nestwärme” bezeichnen, man kann es aber auch als Ausdruck der Verunsicherung und der Schwäche der neuen Vereinsführung interpretieren.
Wo soll die Sicherheit aber auch herkommen? Der Präsident ist neu im Geschäft und hat in einer seiner ersten Feuerproben auf seine eigene Verunsicherung hingewiesen, als er die PK zur Bobic Entlassung begann. Und in eben jener PK wurde auch der neue Sportdirektor gleich ins zweite Glied zurückgestutzt, als es hieß, man wisse noch nicht, ob er für den Posten des sportlichen Geschäftsführers geeignet sei. Und so wirkt das Auftreten von Hertha eben auch vorsichtiger, defensiver und zurückhaltender als früher. Aber eben auch ein wenig ideenlos, wenn man die Söhne des Trainers und alte Weggefährten wie Gersbeck transferiert. Und es hat eben auch immer die Gefahr, dass für den Fall von Misserfolgen der Begriff “Vetternwirtschaft” bemüht werden dürfte.
Wobei man sich um die Beantwortung der Frage nach den Zielstellungen bei Hertha auch herumdrückt wie die Abschlussballkönigin vorm ersten Kuss. Da gibt es die einen, die auf Herthas Budget und die Strukturen schauen und den Verein selbstverständlich in den Kreis der Aufstiegsaspiranten verorten, zumal es wirtschaftlich auch kaum eine Alternative zu “Aufstieg oder Untergang” geben dürfte und das Verhältnis zu Investor 777 gerade mal wieder knirscht, indem man sich gegenseitig den Unmut verlautbaren lässt und diese Information auch noch an die Presse gesteckt wird.
Und da gibt es die anderen, die angesichts des unwuchtigen Kaders und der Vielzahl an Bubis die Erwartungshaltung zurechtzustutzen versuchen. Die Frage ist allerdings berechtigt, ob man denn aus den zur Verfügung stehenden Mitteln das Optimum macht. Die Verantwortlichen müssen auf Grundlage ihrer Informationen für die Zukunft entscheiden, wir Beobachter können und dürfen das Ergebnis in der Retrospektive bewerten. Gelingt Dardai der Wiederaufstieg, dürfte er zumindest die Scharte ausgewetzt haben, die durch den Abstieg in die Reputation geschlagen wurde.
Gelingt es Dardai nicht, dann dürfte der aktuelle Burgfrieden sehr schnell bröselig werden, dann wird neben der “Vetternwirtschaft” auch das Thema Spielentwicklung und Perspektive eine Rolle spielen. Und auch die Frage, wie man es denn mit dem Leistungsgedanken im Leistungssport so tatsächlich hält. Und wer mal mit Dardai über Kritikpunkte gesprochen hat, die immer mal wieder zu lesen sind, weiß, dass das nicht unbedingt seine allergrößte Stärke ist, um es ganz vorsichtig auszudrücken. Ob die derzeitige Vereinsführung das dann moderiert und den brodelnden Vulkan gezähmt bekommt, bleibt spannend zu beobachten.
Aber es gibt ja ein ganz einfaches Mittel dagegen: Einfach erfolgreich Fußball spielen, etwas, was Hertha in der Vergangenheit in Liga 2 hinbekommen hat, wenngleich auch mit quasi Erstligakader und zu horrenden Kosten, die Löcher gerissen haben, die selbst der Mittelzufluss von Tennor seinerzeit nicht gänzlich verfüllen konnte, “Cash is king” klingt mit zunehmendem Abstand auch zunehmend zynischer. Dass von Anfang an das eine oder andere noch nicht rund laufen wird, ist aber bereits jetzt absehbar, dafür ist der Kader noch zu sehr im Zusammenbau begriffen. Auch das sollte bei der Kritikübung berücksichtigt werden und dass der Transfermarkt noch bis Ende August offen ist und Herthas Handlungsspielraum begrenzt, auch.
Und so wünscht man sich Dardai in der Rolle als “Bob, der Baumeister”, der uns allen Zuversicht einbläut, indem er fragt “Schaffen wir das?” und alle im Chor “Yo, wir schaffen das!” antworten. Es würde dem Verein gut tun, es könnte helfen, die Gräben zuzuschütten und vor allem könnte es uns das geben, was derzeit am wichtigsten ist: Eine Perspektive. Denn wenn die Mission Wiederaufstieg scheitert, wird es Hertha finanziell an den Kragen gehen. Schon im nächsten Frühjahr steht die nächste Hängepartie an, wenn die Lizenzen für die kommende Spielzeit beantragt werden müssen, von der 1. bis zur 3. Liga.
In jedem dieser Prüfverfahren wird die Frage zu beantworten sein, wie man denn die Saison durchzufinanzieren gedenkt, was angesichts der dann rückwirkend zu zahlenden und für die jetzt beginnende Saison gestundete Stadionmiete in Höhe von einigen Millionen Euro und vor allem angesichts der anstehenden Rückzahlung der 40 Mio. € Anleihe eine noch größere Aufgabe wird als dieses Jahr, wo man mit Ach und Krach nochmal eine Lizenz erhalten hat.
Hertha BSC or bust! – HaHoHe, Euer Opa