Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2023, Allgemein, Spieltag

Der Patient lebt…

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(opa) Wer erinnert sich noch an den letzten Sieg vor dem gestrigen? Sehr viele gab es in dieser Saison nicht, 5 waren es vor dem gestrigen Spiel. 3 müssen nun noch her. Das hat nichts mit Anspruchsdenken zu tun, sondern mit der brutalen Realität des Tabellenletzten. Das wussten offenbar auch einige unserer Profis, die nach den ersten Wochen Training unter Dardai wenigstens einige Grundtugenden umsetzen. Uremovic wirkt beispielsweise wie ausgewechselt und hat schon gegen die Bayern Leistungen abgerufen, die unter Schwarz undenkbar waren. Gegner werden abgelaufen, jede erfolgreiche Verteidigung mit der Beckerfaust gefeiert, als hätte er ein Tor geschossen. Hätte er und andere das schon vorher gezeigt, würden wir wohl in anderen Sphären der Tabelle schweben. Aber besser spät als nie, denn für Hertha sieht es trotz des gestrigen Siegs immer noch düster aus.

Freitag geht es in die Domstadt, die ihren Dom nur dem Geld des preußischen Königs zu verdanken hat, der das nationale Symbol nach Jahrhunderten Bauzeit nicht halbfertig stehen lassen wollte. Die Kölner hatten Teile des Doms, auf den sie mittlerweile stolz wie ein Pfau sind und Räder schlagen, als ginge es um die Balz, zwischenzeitlich als Pferdestall genutzt. Solche Details werden aber gern mal verdrängt und vergessen, wenn es um den Kölner Lokalpatriotismus geht. “Und wenn et Trömmelsche jeht…”, das kann man eigentlich nur mit BIer herunterspülen, welches jedoch in Kölner Brauhäusern nicht ausgeschenkt wird. Stattdessen gibt es eine obergärige Plörre in Reagenzgläsern, bei denen man aufpassen muss, diese nicht zu verschlucken.

Doch zurück zum gestrigen Spiel. Die erste Halbzeit war ordentlich, Dardai ließ quasi eine Abwehr- und eine Sturmreihe auflaufen, dazwischen lediglich Tousart als Scharnier. Das klappte besser als es auf den ersten Blick zu hoffen war, was auch daran lag, dass alle diszipliniert die Linie umsetzten. Die Sturmreihe lief die Gegner fleißig an, pressten und eroberten regelmäßig Bälle, sogar ein Tor nach einem Standard wurde so erzwungen, von Kempf geschossen von einem ebenfalls vielkritisierten Spieler in dieser Saison, der nun doch eine Stütze zu werden scheint. Allerdings fing man sich auch ein Gegentor und fing danach an, irgendwie verkrampft und flatterig zu spielen, Niederlechners Treffer kurz vor der Pause war irgendwie erlösend.

Nach der Pause war schnell zu sehen, welche Marschrichtung Dardai seiner Truppe mitgegeben hatte. Bus parken, verteidigen, hinten dicht und vorn hilft der liebe Gott. Furchtbar anzusehen, aber Erfolg ersetzt jedes Argument, es ist am Ende gut gegangen und auch Pal zeigte sich beim Interview nach dem Spiel sehr, sehr erleichtert und grinste wie ein Honigkuchepferd. Zigarre, Rotwein, Badewanne hieß der Dreikampf, in den sich der knurrige Ungar am Samstagabend stürzen wollte und wer will es ihm verdenken. Kaum einer hat es ihm zugetraut, dieser Mannschaft Leben und Willen einzuhauchen, der die ganze Saison zuvor gefehlt hatte.

Hervorzuheben sind auch die Auftritte der Eigengewächse Ngankam und Mittelstädt, die sich diszipliniert in die Partie warfen und um jeden Ball fighteten wie in einem Endspiel. Ngankam ermunterte auch mehrfach die Zuschauer, noch mehr Gas auf den Rängen zu geben. Soll nochmal einer sagen, der Funke würde im Oly nicht überspringen. Mit dieser Einstellung und dieser Mentalität dürfte es in den nächsten Spielen durchaus möglich sein, das Wunder zu vollbringen, zumindest den eigenen Beitrag zum Klassenerhalt beizusteuern, drei Punkte Rückstand sind aus eigener Kraft allein nicht zu schaffen, aber der Spielplan der Gegner lässt durchaus noch Platz für Hoffnung.

Hertha wurde von Präsident Bernstein im August letzten Jahres als Patient bezeichnet, der von der Intensiv- auf die Aufwachstation verlegt wurde. Das war, als Hertha nach 4 Spielen lediglich einen Punkt auf dem Konto hatte. Damals stand man in der Tabelle tatsächlich sogar geringfügig besser da als heute. Heute ist man froh, dass der Patient überhaupt noch Puls hat und Vitalzeichen zeigt. Und dass er die nächste Nacht überlebt. Es wurde nichts unversucht gelassen. Man hat den Manager gewechselt, man hat den Trainer gewechselt, sich in der sportlichen Leitung anders aufgestellt und muss dennoch fürchten, den Verein in den Abgrund gestoßen zu haben und lässt nun bis zum vielleicht bitteren Ende nichts unversucht, um doch noch den Kopf aus der Schlinge zu bekommen.

Und so geht man bangend und dennoch mit etwas Zuversicht in den nächsten Spieltag. Karneval ist vorbei, da ist der Kölner verletzlich, vom U-Bahnbau versteht er auch nichts, also ran an den Speck und die Buletten! Und wie heißt es in Artikel 3 des Kölschen Grundgesetzes: Et hätt noch emmer joot jejange

HaHoHe, Euer Opa

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