(opa) “Das Spiel war besser als das Ergebnis” war eine zu Saisonbeginn häufig gehörte Beschwichtigung, um sich die Punktearmut schönzureden. Wenn man so weiterspiele, werde das nicht nur das Publikum begeistern, sondern auch erfolgreich sein. Nach nunmehr 21 Spieltagen stehen ernüchternde 4 Siege und 5 Unentschieden gegen 12 Niederlagen in Paarung mit der doppelten 17: 17 Punkte und Tabellenplatz 17. Das setzt das Team unter Druck, aus den verbleibenden Spielen jedes zweite zu gewinnen. Sportlich nicht unmöglich, aber schon extrem ambitioniert und vor allem stellt sich die Frage: Wie soll das gehen?
Eines der Hauptprobleme seit Saisonbeginn ist eine wackelige Abwehr. Die Außenverteidiger verhindern zu selten gefährliche Flanken und/oder lassen sich leicht überlaufen, die Innenverteidiger stehen oft zu falsch, um eingreifen zu können, die Torhüterposition ist mit einem talentierten und ehrgeizigen Lehrling besetzt, das defensive Mittelfeld wurde zugunsten der schöneren Spielweise von Trainer Schwarz nach vorn geschoben, weshalb es oft überlaufen wird. Das ist ein Konzept, was vielleicht aufgeht, wenn man selbst 3-4 Tore pro Spiel schafft, aber bei Herthas magerer Torquote (25 Tore in 21 Spielen) genauso wenig greift wie die meisten der Neuzugänge unter Fredi Bobic und von dessen Superscout und heutigem Geburtstagskind Dirk Dufner geholten Neuzugänge.
Kanga, Boetius, Sunjic, Kenny, Uremovic und Rogel erinnern in ihrer Performance an die legendären Abstiegstruppen mit hüftsteifen Innenverteidigern wie Hubnik und Mijatovic, an Ottl und Lell, an Friend und Wichniarek. In Kombination mit einem Trainer, der die Statik des Spiels zugunsten etwas “Sehenswertem” verschiebt statt sich im Zweifel Ergebnisse zu ermauern, ergibt sich eine letal-toxische Kombination, die sehr, sehr weit unten destilliert. Ja, das war gestern der BVB und kaum jemand hat ernsthaft an einen Auswärtssieg geglaubt, aber die kurzzeitige Euphorie nach dem Gladbachspiel dürfte bereits verflogen sein, sowohl beim Anhang als auch bei den Spielern.
Die Wochen der Wahrheit werden folgen. Augsburg, Leverkusen, Mainz, Hoffenheim, Freiburg hei0en die Gegner vor dem nächsten Spitzengegner und es müssten ohne wenn und aber eigentlich mindestens drei Siege her, um die Nase wieder über den Strich zu bekommen. Dieser Druck, mit dem das Team bisher eher schlecht umzugehen wusste, ist in Kombination mit einem für gegnerische Trainer leicht zu durchschauenden Taktik von Trainer Schwarz mitsamt der technischen Limitiertheit einiger unserer Spieler einfach keine gute Aussicht und man tut gut daran, sich an einen zähen Abstiegskampf bis zu dem Zeitpunkt einzustellen, an dem rechnerisch der Klassenerhalt oder der Abstieg feststeht.
Insofern könnte das gestrige Ergebnis auch für die für diese Aufgabe erforderliche Nüchternheit gesorgt haben, nachdem nun der kurzzeitige Champagnerrausch des Gladbachspiels verflogen ist. Nun wird das Trainerteam eine Taktik finden müssen, wie man die traditionell eher unangenehm zu bespielenden Augsburger so knackt, dass man aus diesem Heimspiel etwas Zählbares mitnimmt. Die Augsburger haben sich schon ein Polster von 5 Punkten auf die Abstiegsnot verschafft, Hertha hat 2 Punkte Rückstand. Noch ist nicht alles verloren, aber es bedarf eines klaren Blicks auf die Dinge.
Jedenfalls einen klareren Blick als den, der gestern nach dem Zünden einer Nebelkerze noch möglich war. Was als Protest gegen das Materialverbot gedacht war, wurde so zum Sinnbild des Bildes, den einige auf die momentane Situation haben, die immer noch glauben, es würde reichen, das Stadion zu füllen, die Massen zu begeistern und erfolgreich zu sein, wenn man nur offensiv genug spielt und die Defensivarbeit und defensive Stabilität für eine Art vernachlässigbares Gedöns halten. Wie weit man mit nicht ansehnlichem Fußball kommt, wenn man limitierte Spieler exzellent zusammenstellt, kann man am südöstlichen Stadtrand Woche für Woche beobachten. Das ist eben auch eine Art Konzeptfußball, der mit limitierten finanziellen Mitteln möglich ist.
Dass ausgerechnet ich zur Nüchternheit aufrufe, dürfte den einen oder anderen sicher amüsieren, aber irgendwie ist ja niemandem im Herthakosmos gerade zum Feiern zumute, wenngleich C2H6O ja auch beim kurzzeitigen Sedieren behilflich sein kann. Die nächsten Spiele werden entscheiden, wohin die Reise nächste Saison im wahrsten Sinne des Wortes geht, Köln oder Dusseldorf, Hoffenheim oder K-Town, Wolfsburg oder Hangover, Stuttgart oder Karlsruhe. Und man sollte nicht vergessen, dass für eine Mission Wiederaufstieg das Ergebnis am Ende sehr viel existenzieller sein dürfte als die Art und Weise, wie selbiges zustande kam. Sonst geht es sehr weit hinunter ins 7., 8. oder noch tiefere Untergeschoss.
Nirgendwo zählt Schönspielerei, wenn sie nicht zu Ergebnissen führt. Also auf in eine nüchterne Woche, am Samstag kurz nach 17:15 Uhr wissen wir, ob es was zu feiern gibt oder ob wir Betäubung benötigen.
HaHoHe, Euer Opa