Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2023, Allgemein, Spieltag, Transfers

Das Bobic Beben

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(opa) Es gibt so Tage wie gestern, wo ich nach dem Spiel einen Opener für den nächsten Tag vorformuliere, weil ich gerade so schön drin bin im Texten. Und als ich fertig war, erblickte ich die Eilmeldung, dass Bobic entlassen war und heute um 13 Uhr eine PK anberaumt wurde. Also habe ich einen aus meiner Sicht wirklich gelungenen Text in die virtuelle Mülltonne geworfen, in dem ich mich zur Zahl Null ausführlich ausgelassen habe. Vielleicht kann ich das eine oder andere ja noch einmal verwenden, denn auch wenn das natürlich eine personelle Zäsur ist, den für Rekordablöse und Rekordalimentation geholten Geschäftsführer Sport vor die Tür zu setzen, wird dadurch die sportliche Talfahrt nicht zwingend gebremst.

Überraschend an der heutigen Pressekonferenz, bei der neben Medienchef Jung Präsident Bernstein, Geschäftsführer Herrich, Aufsichtsratsvorsitzender Brüggemann und der neue Sportdirektor Benjamin Weber auf dem Podium Platz nahmen, war sicher die Aussage, dass man die Entlassung von Fredi Bobic schon länger vorbereitet hatte und diese unabhängig vom Ausgang des gestrigen Spiels ausgesprochen hätte. Es wurde in den Medien kolportiert, dass Bobics Vertrag sich zudem Mitte Februar um zwei weitere Jahre verlängert hätte.

Die Wahl von Benjamin Weber als Übergangslösung finde ich angesichts der Situation, in der Hertha ist, weniger überraschend. Man hat eh kein Geld, den von Gegenbauer, Klinsmann und Bobic hinterlassenen Chaoshaufen möchte sich ohne für Hertha kaum leistbaren Schmerzensgeldzuschlag kaum jemand mit seriösem Ruf antun, auch wenn sich Felix Magath selbst in Gespräch gebracht und gleichzeitig disqualifiziert hat, indem er sagte, er würde lieber Schlacke als Hertha retten.

Dass man drei Tage vor Ende der Transferperiode nicht Kaderplaner und Geschäftsführer Sport rauswirft, ist auch nachvollziehbar, wenngleich man bei Bobics Rauswurf vom “ersten Schritt” sprach, auf den logischerweise irgendwann auch weitere Schritte folgen werden. Wäre ich wetterfühlig, würde ich darauf tippen, dass Dufners Tage nach Ende der Transferperiode gezählt sein dürften.

Das Experiment Fredi Bobic ist bei Hertha gescheitert. Seine Performance als Manager war ähnlich grausam wie als Stürmer, wo er in 61 Spielen lediglich 9 Tore schoss. Etwas bösartig muss man im Rückblick sagen, dass er vermutlich in Frankfurt ein so starkes Umfeld um sich hatte, dass er den Erfolg dort nicht verhindern konnte. Ob er nun freigestellt oder entlassen ist, bleibt am Ende der PK ob der Unkenntnis des Präsidenten zwischen diesen Punkten offen, ist am Ende aber auch irgendwie egal. Es zeigt wieder einmal, dass ein Name allein ohne Berücksichtigung von Strukturen und Umfeld kein Erfolgsgarant ist. Das gilt für Manager wie für Spieler oder Funktionäre.

Die PK hat aber auch erneut gezeigt, dass Herthas Weg zur Professionalisierung noch weit ist. Technische Probleme mit dem Stream, anfangs viel zu leiser Ton, eine unwürdige Aufstellung von Mikrofonen, die die Befragten dazu drängte, sich medial unglücklich zur Seite und nach vorn zu beugen, dazu eine gruselige Ausleuchtung. Gut, es ist vielleicht ein Sinnbild dafür, dass man bei Hertha an allen Ecken und Enden spart, eben auch an Professionalität. Und Herthas Umgang mit der Öffentlichkeit ist ja seit Jahren eine Riesenbaustelle.

Apropos Baustelle: Das gestrige Spiel hat gezeigt, dass diese Mannschaft eine einzige Baustelle ist. Das Ergebnis war beinahe erwartungsgemäß nach dem verkorksten Saisonstart. Wer eine Steigerung zu den beiden vorherigen Spielen gesehen haben will, darf gern mal erklären, worin genau diese bestanden haben soll. Die Unioner haben Hertha einfach machen lassen, weil sie wussten, dass das weitgehend ungefährlich ist, selbst wenn die rote Zone erreicht wird. Weder defensiv noch offensiv war eine Steigerung zu erkennen, die Defensive wackelte nur deshalb nicht, weil Union gefühlt mit angezogener Handbremse spielte. Wo wir gerade bei Erklärungen sind, könnte Trainer Schwarz ja noch erklären, was er sich dabei gedacht hat, gegen eine kopfballstarke IV hohe und lange Pässe von außen spielen zu lassen.

Wobei er ja eine Jobgarantie hat. Ausgesprochen vom entlassenen Manager, erneuert vom Präsidenten und dem neuen Sportdirektor. Sinnvolle Erklärungen für die aktuelle Situation gibt es derzeit ebenso wenig wie Ansätze, weshalb es bei den nächsten Spielen anders laufen soll. Hertha ist bereits blutleer und scheint noch von den branchenüblichen Hyänen zerrupft zu werden, die sich an den noch warmen Eingeweiden des zwischen Leben und Tod befindlichen Körpers laben. Der Sarg steht bereit, der Deckel liegt beinahe drauf und gefühlt war der Jahresauftakt bereits auch schon der erste Nagel, der den Deckel für die Ewigkeit schließt.

Das Feuer ist auch auf den Rängen erloschen, zumindest kam es im Fernsehen so rüber. Party rund ums Marathontor, getragener Gefangenenchor in der Ostkurve. Politische Geografieanomalien á la Berlin, der einzigen Stadt, von der aus es in allen Richtungen gen Osten geht. Okay, es soll vor dem Spiel zu einer “Drittortauseinandersetzung” rund um das Ostkreuz gekommen sein, in deren Folge wohl ein paar “sportliche” Herthaner festgesetzt geworden sein sollen, weshalb die aktive Fanszene aus Protest oder Solidarität keinen organisierten Support nach Anpfiff des Spiels durchgeführt haben soll. Viele Konjunktive, aber für Nostalgiker der Hinweis, dass das eben ziemliche Grabesstille bedeutet wir man sie sonst nur aus Vizekusen oder aus dem Wolfszwinger mit ICE-Bedarfshalt kennt.

Wobei das Feuer auf den Rängen nur auf der einen Seite erloschen war, auf der anderen Seite versuchten die Unioner sicher nur die olympische Flamme zwischen zu entzünden. Dabeisein ist alles, lang lebe das olympische Motto. Genau der richtige Moment, um an ausgestorbene olympische Sportarten zu erinnern wie Taubenschießen (also auf echte Tauben), Tauziehen oder Sackhüpfen. All das wäre vermutlich unterhaltsamer gewesen als sich die Arbeitsverweigerung der Herthaner anzusehen, die nach dem nicht gegebenen Elfmeter nur darin einig waren, den Konter der Unioner trotz Überzahl nicht verhindern zu wollen.

Ja, man kann über den VAR diskutieren und ja, ich sehe da auch eher einen Elfmeter für Hertha, aber bei der Ladehemmung unserer Spieler wäre da doch ohnehin nur äußerst unwahrscheinlich ein Tor bei herausgesprungen und den Konter hätte man auch nach einem gehaltenen Elfmeter kassiert. Das Leben findet nicht im Konjunktiv statt, ohne VAR hätte ich übrigens niemals behauptet, dass das Elfmeter gewesen wäre. Mal schauen, wann wieder jemand mit den Arbeitsplätzen argumentiert.

So steht die Null bei Hertha. Also nicht an Gegentoren, da gab’s reichlich, zehn Stück aus drei Spielen. Nein, die Null steht bei den eigenen Punkten im Jahr 2023. Und bei Null Bock mehr auf Hertha. Nicht mal das Derby hatte man geschafft, in den eigenen Reihen auszuverkaufen, so dass ernsthaft Karten in den freien Verkauf gingen. Gut, daran ist natürlich das Stadion schuld. Und das Wetter. Und der Senat. Und die darin sitzenden Kommunisten. Am Gourmet-Fußball kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Diesbezüglich sollte man vielleicht mal bei Fans von TeBe nachfragen, meist in der Schlemmeretage des KaDeWe anzutreffen, die sich wenigstens da etwas appetitliches anrichten lassen.

Gestern schrieb jemand, Union sei nur ein Abklatsch von Hertha, gegründet auf Anweisung der Kommunisten. Und da alle anderen Berliner Bundesligisten außer Hertha nach ihrem Aufstieg in die erste Liga pleite gingen, wäre es vielleicht an der Zeit, wenn das Original diesen Makel an den Abklatsch weiterreicht. Bezirksliga in der Lüderitzstraße kann ja auch ganz nett sein, schlechterer Fußball ist es jedenfalls nicht als das, was gestern zu sehen war. Und es gibt keinen Videobeweis. Anschließend geht’s je nach Geldbeutel ins KaDeWe oder aber an die Currywurstbude. Die Null steht da auch in Sachen Eintritt, meist findet man einen Weg an der Kasse vorbei, um sich ein Grottenspiel ohne Eintritt anzusehen.

Singen soll gegen schlechte Laune helfen, also singen wir zur Melodie von “grün, grün, grün sind alle meine Kleider” so etwas wie “null, null, null sind alle meine Punkte”? Noch jemand Vorschläge für Liedgut? Von Bernhard Brinkmann (der früher mal heiß auf Blauweiß war und nun den Weg ins Dschungelcamp oder andere Verklappungsanstalten nicht findet) gibt’s “von Null auf unsterblich”, was dort angeblich nur sieben Sekunden dauern soll, was ja schon einmal eine Erlösung gegenüber 90 Minuten Wurzelbehandlung im Olympiastadion ist. Hertha kann er aber nicht meinen, denn er singt etwas davon, dass er sich geliebt fühlt. Aber immerhin dürfte er sich als Blauweißfan mit Nullen auskennen.

Vielleicht ist es zum Runterkommen aber besser, sich einmal etwas der Stille hinzugeben, daher spendiere ich Euch heute zehn Stunden absolute Stille, also zehn Stunden null Akustik. Hilft vielleicht auch, die kontemplative Sammlung zu beenden.

Nächster Halt ist übrigens nächsten Samstag die Darmspiegelung im hessischen Mekka des Äppler und von Handkäs mit Musik. Heinz Schenk freut’s sicher. Es muss – egal wie – ein Dreier her. Vielleicht legen wir ja auch zusammen und stellen einen 3er BMW vom Schrottplatz vors Friesenhaus, damit die Herrschaften sehen, wie so etwas aussieht? Wobei die dann vermutlich denken, dass “eisern” nicht so passend ist zur Hertha, wobei unser Dampfer ja auch aus diesem Material besteht. Mit viel Blei im Rumpf. Da ist wenigstens klar, woher der Verein diese Richtung hat.

HaHoHe, Euer Opa

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