Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2022, Allgemein, Spieltag

Ooch wieda nich richtich…

127 Kommentare lesen

(opa) Über Wochen wurden Ergebnisse statt Schönspielerei eingefordert und gestern hat die Mannschaft nach anfänglichem Dusel geliefert und nun schwingt das Pendel bei den Fußballästheten, denn sonderlich ansehnlich war das Spiel gegen den Tabellenletzten und Aufsteiger aus der Bergschadenregion tatsächlich nicht, brachte aber die lang ersehnten 3 Punkte, immerhin dem ersten Heimsieg seit April. Die Debatte der letzten Wochen dürfte uns also definitiv erhalten bleiben und so wärmen wir uns ein wenig bei den herbstlichen Temperaturen an dem knisternden Feuerchen, was bei Hertha irgendwie immer brennt.

Im gestrigen Spiel schien die Mannschaft von Trainer Schwarz anfangs recht verkrampft, als würde sie mit dem Druck nicht umgehen können, den auch der Trainer unter der Woche gemacht hatte, der davon sprach, dass man dieses Spiel gewinnen wolle. Alles andere hätte man ihm angesichts der Tabellensituation nicht abgenommen, andererseits sind angeschlagene Boxer ja häufig die gefährlichsten, vor allem, wenn sie einen neuen Trainer in die Ringecke gestellt bekommen. Und so hatte in der rund ersten halben Stunde Hertha auch wenig zu melden und gleich zweimal schossen die Gäste ein Tor, welches dann vom VAR zurückgenommen wurde. Ein “Hallo wach” Erweckungserlebnis stellte sich darauf jedoch nicht ein.

Die Wende kam erst mit dem Seitenwechsel und deutlich aktiver auftretenden Herthanern. Und so zappelte schon bald mit einem “Wumms” der Ball im Tor der Gäste, in dem Herthas Leihgabe Schwolow mit der Abwehr des Schusses überfordert war, was unweigerlich zum Teil hämische oder gehässige Kommentare nach sich zog. Wir sind aber eben beim Fußball, daher ist das völlig okay. Statt das Moment zu nutzen, legten nun die Gäste erneut nach und liefen sich Angriff um Angriff die Hacken wund und offenbarten Berliner Schwächen im Defensivspiel, die nur deshalb nicht zu mehr als einem Gegentor führten, weil deren Offensive irgendwie noch schwächer war. Ein Spiel auf Augenhöhe, was nicht für Fußballästheten geeignet war.

Und so kam unweigerlich, was kommen musste, Hertha baute den gegner noch einmal auf. In der 85. Minute jubelten die Spieler aus dem Pott über den Ausgleich, als hätten sie sich gerade für die WM qualifiziert oder die Tabellenspitze erobert. Diese Euphorie nutzten die Herthaner aus, um mit einem dann endlich gelungenen Angriff den Deckel draufzumachen, ausgerechnet der vielgescholtene Kanga, der zuvor in gefühlt 21 Spielen nicht getroffen hatte, überwand Torhüter Schwolow und hörte gar nicht mehr auf zu laufen, sprang über die Werbebande und ließ sich in der Ostkurve vom eigenen Anhang feiern, von dem sicher zuvor die Hälfte seine Auswechslung gefordert hatte.

Trotz äußerst großzügiger Nachspielzeit gelang es den Gästen nicht, das Ergebnis noch einmal zu korrigieren und man spürte, wie bei Spielern, Trainern und sonstigen Funktionären der Druck abfiel, Präsident Bernstein schien im Fernsehen feuchte Augen vor Glück zu haben. Alles lag sich in den Armen, man hat endlich wieder Tuchfühlung zum Tabellenmittelfeld, die vermeintlich leichten Gegner kommen noch, doch für altgediente Herthaner ist das kein Grund, nun das Meckern sein zu lassen und so gibt und gab es trotz des gestrigen Sieges dann doch reichlich Wasser in den Wein.

Einzelne Spieler scheinen mit ihrer Aufgabe an und regelmäßig über ihre Grenzen zu kommen. Defensiv seien da die Außenverteidiger genannt, Plattenhardt mit seinen Alibi-Anläufchen seiner Gegenspieler gibt als Kapitän da zudem kein gutes Vorbild ab. Kenny scheint ebenfalls in Raum und Zeit verloren, wenn es darum geht zu wissen, wo er stehen und was er tun soll, um Gegner am Erzielen von Toren zu hindern. Und auch die Innenverteidigung ist kein Bollwerk vorm jungen und bisweilen immer noch etwas zappelig wirkenden Christensen.

Die Systemumstellung von 3 auf 2 zentrale Mittelfeldspieler hat Hertha gestern die Dominanz gekostet. Zwar machten Serdar und Tousart ein ordentliches Spiel, zum Durchstecken von Offensivpässen reichte es aber deutlich weniger, deutlich weniger wurde übrigens auch gelaufen. Über 2 km weniger als der Gegner lief man. Nun heißt Hertha nicht “VfB – Verein für Bewegungssport”, sondern ist eben nur nach einem ollen Dampfer benannt, aber trotzdem darf man sich mehr bewegen als die meisten der Mannschaft, zumal gefühlt die Hälfte der Laufleistung der gestern wieder einmal überragende Lukebakio erbracht haben dürfte.

Hinsichtlich der restlichen Offensivabteilung hüllen wir besser den Mantel des Schweigens darüber. Zwar hatte Jovetic in seiner Rolle bei den rückwärtigen Diensten Anteil an einigen Angriffen, andererseits verhinderte er selbst sein Tor, indem er sich anschoss. Der macht gerade eine schwere Phase durch. Und über Ejuke möchte ich gar nichts schreiben, seine Auftritte sind derzeit die personifizierte Ineffizienz wie jemand, der in der Badewanne steht und das Wasser mit einem Eimer von der linken zur rechten Seite schöpft. Vermutlich würde selbst der Busfahrer derzeit mehr zum Offensivspiel beitragen als der überdreht wirkende Ejuke. Und von Kanga war bis auf sein Tor nun auch nichts gesehen, was die künftigen Gegner das Fürchten lehren sollte.

Richtet man dann den Blick in Richtung Auswechselbank, ist das nicht geeignet, die Stimmung steigen zu lassen. Der effektive Einbau von Spielern wie Selke, Boateng, Lee & Co. ist eine Aufgabe, um die man Trainer Schwarz nicht beneiden kann. Doch der klagt nicht, scheint sich angesichts seiner blassen Hautfarbe auch eher mit dem Studium von Videoanalysen zu beschäftigen als mit dem Auffassen von Vitamin D und liefert wie gewünscht 3 Punkte, wenngleich eben mit diesmal recht unansehnlichem Fußball. Wenn er ein Denkmal möchte, muss er beides liefern, erfolgreichen Fußball und regelmäßige zählbare Ergebnisse.

Doch selbst dann würde der Herthaner etwas zum Meckern finden. Wäre Jesus bei seinem Lauf übers Wasser Herthanern begegnet, hätten die gesagt “Kiek ma, nich ma richtich schwimmen kanna”. Wir sind so wie wir sind…

HaHoHe, Euer Opa

127 Comments
neueste
älteste
Inline Feedbacks
View all comments