(opa) Heute soll es anlässlich des Ablebens eines großen Deutschen Fußballers um ein paar verrückte Entwicklungen im Fußball gehen und wie wir als Fans mit diesen umgehen. Der und die eine oder andere hat seine ersten Fußballerfahrungen noch mit echten Lederbällen gehabt, die auf nassem Rasen oder bei Regen brutal schwer wurden, weshalb man beim Kopfball dann vielleicht sogar mit Absicht daneben sprang. Fußball im Fernsehen war noch in schwarzweiß und nur selten live, dennoch zog König Fußball immer schon Massen an. Spieler wechselten in aller Regel nicht den Verein, die Brüste waren sponsorenfrei, es gab noch echte sportliche Wettkämpfe, Außenseiter konnten um Titel mitspielen und Stadien waren keine Merchandise-Shoppingtempel, sondern man zeigte stolz mit dem von Oma oder Mutti gestrickten Schal die Farben des Herzensvereins.
Heute findet als Kontrapunkt zu dieser (oft verklärten) “guten, alten Zeit” vieles rund um den Fußball auf einer Metaebene statt. Am Joystick talentierte Stubenhocker haben oft mehr Fans als echte Kicker, wer auf Tiktok besser klatschen kann, muss auf dem Platz nicht die besten Pässe schlagen, um populär zu sein und eine nur Sekunden dauernde Latenz zwischen zwei verschiedenen Übertragungsarten wird nicht nur in der besonders empfindlich zu sein scheinenden Generation “Snowflake” als nicht hinnehmbare Zumutung empfunden, als ginge es beim Erlebnis Fußball um Zockerei wie beim Hochfrequenzhandel an den Warenterminbörsen dieser Welt. Fußballfandasein ist zudem längst internationalisiert, wer auf den Bolzplätzen hinschaut, weiß, dass Regionalität längst nicht mehr die Bedeutung hat. Nicht nur in Berlin sieht man neben den regionalen Platzhirschen sehr oft den Nachwuchs im Dress von Barca, Paris, Real oder Bayern kicken und für deren Spieler schwärmen.
Und es sind längst nicht mehr die Jungs allein. Im Breitensport ist Frauenfußball (hier darf der noch so heißen) längst als Topsportart etabliert, die in der medialen Wahrnehmung immer noch gegen den omnipräsenten Männerfußball abfällt und dieses Schicksal mit vielen anderen Sportarten teilt, die oft medial nicht mehr stattfinden und aus diesem Grund auch Nachwuchssorgen und Finanzierungsprobleme haben. Eine Bekannte von mir war Olympiasiegerin im Damenhockey und musste dennoch ihre Reise zu den olympischen Spielen genauso selbst bezahlen wie ihre Ausrüstung oder ein Trainingslager, während in diesem Bereich selbst halbtalentierte Nachwuchsspieler im Fußball gepampert werden wie Superstars. Und andere Sportler müssen sich dabei erheblich strengeren Dopingregeln unterwerfen als jeder Profifußballer. Der Fußball hat alles platt gemacht und nicht umsonst streue ich immer wieder gern mal andere Sportarten hier mit hinein und finde es auch gut, wenn ihr Euch in den Kommentaren über Tennis, Tour de France oder andere Sportarten austauscht.
War früher alles besser? Nun, wenn man von Heldengeschichten absieht, dass Spieler mit gebrochenen Knochen weiterspielten, sollte man sich darüber bewusst sein, dass häufig eine Art “Standfußball” gespielt wurde. Der Fußball ist erst in den letzten 10-15 Jahren so richtig athletisch geworden, davor gab es eher Presswurst statt Pressing. Es fiel vielleicht nicht so auf, weil Ligafußball selten live war und man die Spiele in aller Regel als Zusammenfassung der Highlights in Sportschau und Sportstudio serviert bekam und man statt einer “Analyse” eines “Expertenteams” halt Springreiten oder Rhönradfahren gucken musste. Ich bin also bei der Frage hin- und hergerissen, ich brauche den omnipräsenten Kommerzfußball sicher nicht, ich will und wollte aber auch nie wissen, wer, warum und auf wem den Chio in Aachen gewonnen hat.
Andererseits unterliegen ja auch andere Sportarten einem Wandel. Bei der Formel 1 hat man die Gridgirls abgeschafft und treibt eine ganze Generation Boxenluder in eine Versorgungslücke zwischen Influecerdasein und Verklappung im Dschungelcamp. Dafür müssen sich die Fahrer auf der Strecke jetzt benehmen, das rausrempeln wird meist bestraft und gehauen wird sich auch nur noch selten wie 1982 beim Boxkampf zwischen Piquet und Salazar. Trotzdem zieht die Formel 1 weiterhin Millionen in ihren Bann, wenngleich man sich da wie zuletzt in Spielberg auch dort über Problemfans zu beklagen hat.
Wie also mit dieser Veränderung umgehen, zu der ja auch gehört, dass die Fußball WM in der Wüste stattfindet, in der man die Stadien wird herunterkühlen müssen, während bei uns ggf. in den Wohnungen gefroren werden wird. Generation Snowflake wird das eines Tages ihren Enkeln vielleicht als “Hungerwinter 22/23” verklären. Vielleicht trinken sie ja dann danach wieder richtige Milch statt Substitut. Immerhin gibt’s diesmal keine Fettlücke.
Bizarr übrigens auch, dass Spieler heute den Verein wechseln, während die Saison schon begonnen hat. Nicht nur, dass sich Fans dann schon wieder Spieler aufs Trikot haben beflocken lassen, die dann gar nicht gegen den Ball treten, diese passen ja auch nicht, weil man anscheinend bei den Ausrüstern Menschen mit mehr als 2XL nicht als Markenträger haben will. Nach Bodyshaming nun Fanshaming, wobei das ja im Herthakosmos nichts Neues ist, früher musste man sich auf der Geschäftsstelle einen Vertrauensausweis ausstellen lassen, wenn man blauweiß im Stadion tragen wollte. Das Ergebnis waren übrigens Unmengen grüner Bomberjacken und entsprechende Parolen. Das endete erst, als unser heutiger Präsident mit seiner häufig kritisierten Vereinigung das Zepter in der Kurve übernahm. Es ist also doch nicht alles schlecht an der Weiterentwicklung.
Und vielleicht mache ich ja auch irgendwann mal ein TikTok Video. Bis dahin bleibt blauweiß, HaHoHe, Euer Opa.