(opa) Die Transferperiode endete bei Hertha gestern schon vorzeitig, als man bereits um 12:17 Uhr die “Aktivitäten in der diesjährigen Winter-Transferperiode” als “abgeschlossen” erklärte. Nicht wenige rieben sich verwundert die Augen, denn mit Kempf, Lee und Nsona war es das mit Neuzugängen. Dass es keinen Ladebalken mehr gibt, dürfte so mit die positivste Nachricht der abgelaufenen Wechselperiode gewesen sein. Manager Bobic klopfte sich selbstzufrieden den Staub aus den Schultern und sagte…
Ich bin zufrieden, weil wir genau das umgesetzt haben, was wir uns vorgenommen haben
Fredi Bobic, 1.2.2022 Quelle
Das klang allerdings am Ende der letzten Transferperiode ganz ähnlich, nach dem Sommer sagte er
Ich kann voller Überzeugung sagen, wir haben das gemacht, was wir machen wollten.
Fredi Bobic, 2.9.2021 Quelle
Die Selbstüberzeugung scheint nach einer notwendig gewordenen Trainerentlassung und diversen Versuchen, Spieler einerseits loszuwerden und andererseits Baustellen zu schließen, offensichtlich keine Risse bekommen zu haben. Dass mit Arne Friedrich zum Saisonende jemand geht, der nach eigener Aussage “rund um die Uhr” dafür arbeiten wollte, die Baustellen zu schließen, passt dazu irgendwie ins Bild, welches bei näherer Betrachtung doch nicht ganz stimmig zu sein scheint.
Mit Kempf kommt einer, der die IV sofort verstärken kann und vielleicht hilft, die Standardschwäche etwas zu beseitigen. Lee dürfte in die Kategorie Wundertüte einzuordnen sein, so jemand kann einschlagen und vielleicht bei dem Ziel der Internationalisierung helfen, aber ob der nun zum Schreck seiner Wettbewerber um die Position des Rechtsaußen wird, wird man wohl erst nach den ersten Einsätzen wissen. Und hatte Bobic nicht versprochen, erst einmal die Stadt zurückerobern zu wollen, bevor man koreanische Fernsehteams hofiert? Nsona wechselt in seiner Rehabilitation eines Kreuzbandrisses, den er sich vor etwa 7 Monaten zugezogen hat und dürfte in nächster Zeit keine Option für Trainer Korkut sein.
Es dürfte also bei den Dauerbaustellen auf den Flügeln, defensiv wie offensiv, bleiben. Auch ist kaum abzusehen, dass einer der Neuzugänge das Talent mitbringt, Ecken und Standards schießen zu können, die nennenswerte Abwehrarbeit des Gegners erfordern. Die Aufgabe von Trainer Korkut ist es, aus diesem immer noch unrund wirkenden Kader ein Team zu formen, welches das Minimalziel Klassenerhalt erreicht. Vom Zurückerobern der Position als Nr. 1 in der Stadt wagt man kaum zu sprechen und angesichts der Tatsache, dass der Stadtkonkurrent nächste Saison nicht nur erstmals mehr TV Geld als Hertha erhält, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch noch international spielt und dadurch weitere Einnahmen generiert, sollte eigentlich etwas mehr Demut bei allen Beteiligten hervorrufen.
Es folgen mit den Spielen gegen Bochum und Fürth zwei richtungsweisende Partien, mit zwei Siegen kann man sich in Richtung Mittelfeld absetzen, gelingt dies nicht, wird man weiter ans Tabellenende schauen müssen und hoffen, dass sich im Bewerberkreis noch mindestens 3 schlechtere Teams finden lassen. Es sind Stand jetzt nur 3 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und 4 Punkte auf einen Abstiegsplatz. Da wirkt es tatsächlich etwas schräg, wenn einer der bestbezahlten Manager der Bundesliga der eigenen Arbeit selbstzufriedene Noten vergibt, zumal er sich da erst vor wenigen Monaten das selbe bescheinigte.
Aber was wissen wir Fans schon? Mit zwei Siegen in Folge scheint hier zumindest stimmungstechnisch schon bald wieder die Sonne und die Möhre, die man uns Jahr für Jahr vorhält, dass nächste Saison alles besser wird, sieht mit länger werdenden Tagen auch immer leckerer aus, da vergisst man sogar, dass DAZN doppelt so viel Geld haben möchte wie bisher. Shut up and take my money?
Ganz so einfach ist es nicht. Denn trotz der Tatsache, dass die Zuschauer, die in den Stadion nicht sein dürfen und die stattdessen im Fernsehen ihrem Verein die Daumen drücken, sind die Zuschauerzahlen für die Bundesliga rückläufig. Bei sky sanken lt. Sponsors im Vergleich von Hinrunde 21/22 zu Rückrunde 20/21 von durchschnittlich 1,66 Mio. auf nur noch 1,06 Mio. Zuschauer (-36%) in der Samstagskonferenz. Auch die Topspiele am Samstag fanden nur noch 900.000 Zuschauer statt vorher 1,21 Mio. Zuschauer (-26%). Es gilt also sehr viel mehr als nur die Stadt zurückzuerobern und es ist fraglich, ob man das mit Selbstzufriedenheit, koreanischen Wundertüten oder e-Sports Mätzchen erreichen kann.
Ein Ruck müsse durch Deutschland gehen, hatte mal ein Bundespräsident von gewichtigem Format gefordert. Diesen Ruck scheint auch der deutsche Fußball zu brauchen. Und ganz sicher braucht diesen Ruck auch unsere Hertha, damit die Fans das Gefühl haben, dass “die da oben” verstanden haben.
HaHoHe, Euer Opa