(opa) Wer glaubt, dass das unter der heutigen Überschrift Ausführungen zum Thema Gentrifizierung werden, der irrt. Heute trugen Teile der Fanszene beider Berliner Vereine einen Mann zu Grabe, der – trotz Geburt in Berlin Pankow – unter dem Namen “Schwabe” bekannt war und der vor kurzem seinen Kampf gegen seine Krankheit aufgeben musste. Beide Berliner Vereine, weil er zwar immer im Herzen ein Blauweißer war, aber dennoch einen Job beim Stadtrivalen hatte und in der Fangeneration gab und gibt es ohnehin mehr verbindendes als trennendes. Möge seine Seele in Frieden ruhen und wenn man es laut im Himmel fluchen hört, dann regt er sich entweder mal wieder über die Spielweise von Hertha oder Union auf oder er hat einen Fan von Gelsenkacken oder St. Pipi getroffen.
Bevor wir uns dem Trainingslager von Hertha und dem Kuddelmuddel um die Notdauerkarten aus dem Notdauerkartennotverkauf widmen, noch ein Wort und Gruß an unsere Olympiafahrer, die vor leeren Rängen spielen müssen. Vor leeren Rängen? Mitnichten! Vor Ort ist ein waschechter Herthaner und der zeigt bei den Veranstaltungen, bei denen er als Techniker vor Ort eingesetzt ist, Flagge (bzw. Schal) wie hier bei der Eröffnungsfeier. Ein donnerndes HaHoHe bzw. こんにちは nach Tokio!
Hertha macht derweil im Trainingslager Schlagzeilen. Wer unserem Herzensverein auf den sozialen Medien folgt, kriegt das, was er an Infos und Eindrücken kriegen soll. Dass das nur ein Ausschnitt ist, der die Dinge so darstellt, wie sie aus Sicht des Vereins dargestellt werden sollen, sollte dabei nicht vergessen werden. Weder kann so eine “Eigen-PR” echten Journalismus ersetzen, den es im Sport ohnehin kaum noch gibt, weil die millionenteure “Show” nicht gestört werden soll, für die man teure Rechte erworben hat, wie unlängst die Causa Dahlmann wieder einmal zeigte, noch kann so etwas die Liveeindrücke derjenigen ersetzen, die sich für ein paar Tage in Österreich aufhalten und den Trainings und den Trainingsspielen beiwohnen und an die an dieser Stelle ein herzlicher Gruß aus der Heimat geht. Ich wollte schon immer mal die Zuschauer aus Österreich und der Schweiz (und natürlich der Zone und den Ostgebieten 😁) begrüßen, wie es die Fernseh-Ansager in meiner Kindheit taten.
Die erste Schlagzeile eines sonst recht nachrichtenarmen Tages betrifft Zeefuik, der im Training umgeknickt ist und vom Platz humpelte. Ihr ahnt schon, wie nachrichtenarm der Tag wirklich war, wenn das die erste Schlagzeile ist. Kein Transfer in Sicht, weder auf Abgangs- noch auf Zugangsseite und nicht einmal mehr zwei Wochen bis zum ersten Pflichtspiel. Kein Wunder, dass die ersten Fans nervös werden und die Geduld verlieren, obwohl Bobic ja angekündigt hatte, dass es eventuell spät wird in der Transferperiode mit der Mannschaftszusammenstellung. So lange die “Qualifiers” (wie die Qualifikationsspiele im sprachlich immer amorpher werdenden Fußballsprachschatz genannt werden) laufen, werden wohl keine großen Dominosteine fallen bzw. sich Mikadostangen bewegen.
Während unser ehemaliger Cordoba (der nach “der Schande von”) für seinen neuen “Herzensverein” (wer träumt nicht von Sibirien?) bereits im ersten Spiel traf, humpelt Herr Freitag noch an Krücken und Selke (der, der immer so sympathisch jubelt, wenn er einen Elfer geschunden hat)? Naja, fürs Netze kaputt machen braucht der eher eine Schere als einen Ball. Besser wird es dann nicht mehr. Die nominalen Stürmer im Kader wie Redan oder Werthmüller scheinen zu leicht gewogen zu sein, während die Hilfsstürmer wie Lukebakio vom Trainer öffentlicher Demontage ausgesetzt sind. Wer den sensibel wirkenden Schlacks aus Belgisch-Kongo aber schon einmal in einer schlechten Phase über den Platz schlurfen sah und wer die Impulsivität eines Pal Dardai kennt, kann schon nachvollziehen, weshalb dem knurrigen Ungarn die Hutschnur riss. Ob’s klug war? Wobei gute Stürmer fürs Denken keine Zeit haben sollen und auch nicht zwingend klug sein müssen. Ich weiß es ja auch nicht.
Apropos nicht wissen. Wer schon bei der aktuellen Fassung der Coronaregeln (welche Regeln für welche Rückkehrer aus welchen Ländern in welchen Bundesländern gelten gerade?) durcheinander kommt, der kann den Verwirrspielen eine neue Edition hinzufügen. Mitten im Vorverkauf hat Hertha heute die Regeln für die Vergabe der Notdauerkarten für die Notsaison geändert. Statt ursprünglich zwei Karten kann man nun doch nur eine Karte erwerben. Nicht übertragbar natürlich. Wie das mit dem angekündigten Zusammensitzen im Stadion funktionieren soll, weiß der Geier (oder weiß er nicht?). Hertha dürfte es selbst derzeit jedenfalls auch nicht wissen.
Zumindest scheint man nicht in der Lage sein, Regeln einzuhalten und diese so zu kommunizieren, dass der Fan sie versteht. Und vielleicht ist das auch eine Reaktion auf den enormen Erfolg der ersten Tage Vorverkauf. Von den 2.500 Karten für die sonst immer ratzfatz ausverkaufte Ostkurve sind wohl erst die Hälfte verkauft. Der kluge Kaufmann lernt im Zirkus, dass man in solchen Fällen mit “Wegen des großen Erfolgs verlängert” plakatiert. Menschen, Tiere, Sensationen, hereinspaziert, komm’se rin, komm’se ran, hier wer’n se jenauso beschissen wie nebenan. Beständigkeit ist so wichtig im Traditionsbusiness Fußball. Das wird sicher auch für die strategischen Defizite gelten.
Nicht nur bei Beerdigungen wird einem die eigene Endlichkeit bewusst, auch Arztbesuche wie meiner heute beim Orthopäden, der mir meine Rückenschmerzen mit “So ‘n kräftiger junger Mann wie Sie… (guckt aufs Geburtsdatum) …oh, ich hätte sie viel jünger geschätzt” zu erklären versuchte und doch nichts anderes sagte als, dass ich wohl alt und dick bin. Immerhin hing seine Praxis überwiegend voll mit Bildern aus dem Oly und mit Mannschaftsfotos unserer Hertha und zum Zurückpöbeln war mir zu heiß 😉
Alte und dicke Grüße, HaHoHe, Euer Opa