Veröffentlicht am Kategorien 2021, Allgemein, Länderspiel

Davon geht die Welt nicht unter…

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(opa) Bei der Suche nach einer passenden Überschrift für den Opener nach der gestrigen Auftaktniederlage des #zsmmn-“Die Mannschaft”-Gebildes (seit Februar 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt u.a. unter der Registernummer 302015057274 eingetragen) gegen Frankreich fiel mir der Titel von Zarah Leanders Hit aus dem heute glücklicherweise nur unter Schnittauflagen zu zeigenden UfA-Propagandamachwerk “Die große Liebe” ein, allein schon, um die selbsternannten “woken” unter Euch ins Leere laufen zu lassen, die mir gestern “an den Haaren herbeigezogene historische Kontexte” und damit angeblich verbundene Intentionen unterstellten und die mich mit ihrem Jakobinertum damit mittlerweile eher zu dem Grundsatz einladen, meine Texte so zu schreiben, dass die “woke people” etwas dagegen haben könnten, deren beinahe maoistisch wirkende Umtriebe ich persönlich mittlerweile für eine der größten Gefahren für die Freiheit in unserem Land halte. Und die ja in ihrem Bildersturm auch regelmäßig vor unserem Fußball nicht Halt machen.

Doch zurück zum gestrigen Spiel: Ich habe eine durchaus in Teilen auf Augenhöhe mit dem amtierenden Weltmeister spielende Mannschaft gesehen, die dem Gegner das Tor selbst ins selbige legen musste, damit dieser obsiegt. Frankreich war der erwartet starke Gegner mit Wahnsinnsspielern wie Pogba, Mbappé, Kanté, Griezmann oder Benzema. Und dennoch schoss der Weltmeister kein einziges reguläres Tor. Mit dem Ergebnis müsste man im Deutschen Lager (darf man das noch sagen? – höhö) also leben können, doch ob diese Mannschaftsleistung reicht, um die Vorrunde zu überstehen, muss noch unter Beweis gestellt werden und nicht wenige haben Zweifel daran. Sollte es misslingen, wird sicher die Diskussion über den Zeitpunkt des Abgangs von Jogi Löw wieder losgehen, wie man ihn das Turnier noch hat spielen lassen können.

Denn wir Deutschen sind ja nicht nur ein Volk von Fußballtrainern, wir sind auch super Couch-Manager und wissen meist sehr genau, was man besser hätte tun müssen. Wenngleich die Realität nicht retrospektiv gelebt wird, ist die Kritik an der ehemaligen Deutschen Nationalmannschaft nicht unberechtigt und die Fans stimmen ja bereits mit den Füßen ab. Stadien waren schon vor Corona nicht mehr ausverkauft, die TV Quoten waren schon deutlich besser. Auch gestern erreichte das Nationalteam in der werberelevanten Zielgruppe (14-49 jährige) keine zweistellige Millionenanzahl an Publikum und setzt damit den Trend fort, dass das ehemalige Quotenpferd auf einem neuen Tiefpunkt angelangt sein dürfte. Markenmanager sind wir Deutsche übrigens auch 😉

Und so lassen wir Oliver Bierhoff als sicher exzellent bezahlter Manager die Textzeile des Zarah Leander Liedes “Wo ist ein Mensch der mich versteht?” singen, denn es ist sein Problem. Dass die “woke” People am liebsten auch gleich das National- in der Mannschaft gestrichen haben wollten, hat er in vorauseilendem Gehorsam ja schon 2016 erledigt. Mit dem Ergebnis, dass das Publikum weg bleibt. Mal schauen, wie lange es für die Erkenntnis braucht, dass man (vermutlich nicht nur) in Frankfurt in die falsche Richtung rennt. Nach der Erkenntnis, eine Situation falsch eingeschätzt zu haben, sollte dann das um Vergebung bitten folgen. Wobei Wikipedia dazu wenig Hoffnung verbreitend verlautbart: “Vergebung setzt ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz voraus”.

Mit der Frage von Vergebung und Verzeihung beschäftigt sich aber nicht nur der Fußballfan oder die Theologie, sondern auch unser heutiger Gastautor namens “Kakaofleck”, dessen Gastbeitrag ich nun hoffentlich nicht allzu sehr eingerahmt habe. Daher sage ich für heute an alle woken und nicht so woken people an den Empfangsgeräten “Ha Ho He, Euer Opa” und rufe ein im Trommelwirbel und Tusch untergehendes “Licht aus, Spot an, Vorhang auf” für:

Ein gewandeltes Verhältnis

(kak) Es war der 23. Mai 2009. Voller innerer Anspannung saß ich in der KSC-Fankurve in deren Wildpark-Stadion. Ich glaube, als offener Hertha-Fan ist das nur dort möglich. Nur ein Sieg noch und dann spielt Hertha innerhalb von 10 Jahren gleich zwei Mal in der Champions League!

Doch die Vorzeichen standen gar nicht gut. Einerseits tat sich Hertha mit Mit-dem-Rücken-an-der-Wand stehenden Gegnern schon immer schwer. Zur Erinnerung: Karlsruhe war eigentlich schon abgestiegen. Nur ein eigener Sieg bei gleichzeitiger Niederlage von Energie Cottbus hätte sie in der Bundesliga gelassen.

Andererseits hatte es in den letzten Monaten zwischen wesentlichen Teilen der Hertha-Mannschaft und deren Trainer Lucien Favre gewaltig „geknirscht“, so dass es am gemeinsamen Team Spirit auffällig mangelte. Nur ein paar Wochen zuvor war sogar die realistische Chance auf die Meisterschaft verspielt worden!

Dabei tat sich neben Anderen der Team-Kapitän Arne Friedrich hervor. Für mich, wie für viele Andere von außen auch, war er der personifizierte „Sand im Getriebe“.

Es kam, wie befürchtet: Der KSC legte los, wie die Feuerwehr und Hertha hatte nicht die Spur einer Chance. War seltsam lethargisch und ergab sich einfach. Das Spiel endete 4:0. Doch Cottbus lies nichts anbrennen. Alle Mühe der Karlsruher war also umsonst gewesen.

Wegen der zerstobenen großartigen Hoffnungen brach ich in Tränen aus. Darauf angesprochen wehklagte ich laut mit fast schluchzender Stimme: “Wenn es doch wenigstens ´was nutzen würde. Aber so ist dieser Tag doch für uns alle nur noch schrecklich!“

Plötzlich legte sich etwas um meine Schultern. Es war ein Fan-Schal vom KSC. Man wollte mich damit irgendwie trösten. Noch heute rührt mich das sehr.

SCHNITT!

Es war der 5. Mai 2021. Hertha hatte gerade ein 3:0 gegen den SC Freiburg eingefahren. Im Kreis, den die siegreiche Mannschaft gebildet hatte: Arne Friedrich, jetzt Team-Manager. Er hielt ein flammendes Plädoyer in die glücklichen Gesichter. Offensichtlich hatte er mit vielen bekannten und unbekannten Maßnahmen mit-erreicht, dass eine „richtige“ Mannschaft auf dem Feld stand.

Jeder fühlte sich wichtig. Jeder war wichtig. Ich bin fest davon überzeugt, ohne diesen Team-Spirit hätte die nach der Corona-Quarantäne notwendig gewordene „Tiefenrotation“ Pal Dardais nicht funktioniert.

Vorher hatte Friedrich in vielen Interviews Hertha ein derartig sympathisches Ansehen verliehen, das sich so wohltuend von der Preetzschen „Dauerabwehrhaltung“ unterschied.

Ganz klar, mein Verhältnis zu ihm hat sich komplett verändert. Ich habe ihm verziehen

Nun ja, ist das in unserer Kultur anerzogene Mittel der Verzeihung wirklich eine Kategorie, die auch im Profifußball Anwendung findet? Oder passt das nicht? Ist das Verzeihen nicht auch gegenüber einer Mannschaft angebracht? Wie wär‘s denn mit Union? Oder Schalke?

Wird wirklich unterschieden, ob sich jemand am Anfang oder am Ende der (Hertha-)Karriere verdienstvoll gemacht hatte? Michael Preetz sorgte z.B. als Stürmer für viele schöne Augenblicke bei mir. Trotzdem bin ich ihm wegen 2,5 zu verantwortenden Abstiege nicht so sehr wohlgesonnen. Bestimmt ungerecht. Bitte um Verzeihung.

HaHoHe, Euer Kakaofleck

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