(opa)…es ist Transferperiode und kaum jemand redet drüber. Ich persönlich finde die derzeit herrschende, unaufgeregte Ruhe ja ganz angenehm, geisterten doch in den letzten Jahren immer verrücktere Gerüchte und immer verrücktere Zahlen durch die Gazetten und Fußballforen, was zu regelrecht abartigen Szenen führte wie, dass sich Spieler von ihren Vereinen weggestreikt haben. Das ist nun alles durch die Pandemie etwas eingedampft worden. Klar sucht jeder Verein nach einer Verstärkung an der einen oder anderen Stelle, aber das Karussell des Wahnsinns scheint sich zumindest erst einmal langsamer zu drehen.
Vereine, deren Geschäftsmodell auf diese Form des modernen Sklavenhandels (wobei Sklave schon ein Euphemismus ist angesichts der Summen, die im Profifußball verdient werden), müssen sich nun etwas einfallen lassen, wie sie ihre ungedeckten Schecks einlösen wollen. Bei dem einen oder anderen musste ja bereits der Steuerzahler einspringen und wie im richtigen Leben werden nicht alle Vereine diese Krise überleben. Das kann man schlimm finden, gehört aber zum Leben dazu. Die Insolvenzverwalter wollen schließlich auch von irgendwas leben 😉
Bei Hertha besteht keine Gefahr, denn das Geschäftsmodell hat seit Jahren keinen nennenswerten Gewinn mehr abgeworfen. Weder wurden sonderlich nennenswerte Transferüberschüsse erzielt noch sonstwie Gewinne aus dem operativen Geschäft. Hätte man nicht Mittel und Wege gefunden, Insolvenzgründe wie Überschuldung kreativ umzuinterpretieren und wäre nicht ein Investor eingestiegen, dessen Mittel vorderrangig zum Zuschütten des in den Jahren ausgehobenen Lochs in mutmaßlich dreistelliger Millionenhöhe verwendet wurden, wäre unser Herzensverein wohl heute mit der Ama zwee als erster Mannschaft auf den Plätzen der Berliner Bezirksliga unterwegs.
So aber lebt der Traum weiter, dass aus der alten Dame mit dem grauen Image doch noch eines Tages mal ein Club wird, der “oben” mitspielt. Bedenkt man, welche Euphorie die Klinsmann-Festspiele rund um den letzten Jahreswechsel ausgelöst haben, dann hat dies gezeigt, welches Potential in unserer Hertha steckt. Wenn man es denn hebt bzw. zu heben versteht. Denn wie bei jeder Schatzsuche bedarf es neben Geduld auch ein wenig Fortune. Wie oft schon sank ein zu hebendes Schiff, was längst an sicher geglaubten Trossen befestigt war, erneut Richtung Meeresboden und nicht jedes erfolgreich gehobene Wrack entpuppt sich als ertragreich ausbeutbar.
Was unsere Hertha ist und ob sie näher am Zustand des namensgebenden Schiffs ist, darüber lässt sich vortrefflich streiten. Immerhin hat man einen Investor an Bord geholt, der bereit war, eine beachtliche Summe in die Profiabteilung des Vereins zu stecken und seinen Zahlungsverpflichtungen bis auf die letzte Rate auch nachgekommen ist. Ob das reichen wird, um “den Abstand zu verringern”, wird man sehen, für uns als Fans ändert sich aber erstmal nichts und so können wir verhältnismäßig fröhlich über Ab- und Neuzugänge spekulieren, wo andere Wettbewerber Staatshilfe brauchen.
Und wenn ich schon dabei bin, mir etwas vorzustellen, dann träume ich natürlich lieber von der Siegesparade vom Ernst-Reuter-Platz bis zum Brandenburger Tor, vorbei an rückspiegelbefreiten Autos und umgekippten Rollern in einem Landaulet die Schale in den blauweißen Berliner streckend als von Ligaalltag gegen Bielefeld. Wobei der auch schön sein kann, wie Eure im letzten Beitrag geposteten Kommentare gezeigt haben. Wir Berliner machen halt immer was aus der Situation.
Am Sonntag geht’s an dieser Stelle weiter mit Sunnys Spieltagsopener. Auch wenn derzeit trübes Wetter mit kurzen, aber länger werdenden Tagen und die Gesamtsituation aufs Gemüt drückt, dann denkt an die Generationen vor uns, die echte Katastrophen erlebt haben, die Kriege, Vertreibung, Hunger und Kälte erleiden mussten und in der Zeit trotzdem Kinder großgezogen und vor allem die Hoffnung auf bessere Zeiten nie verloren haben.
Alles wird gut. HaHoHe, Euer Opa