Veröffentlicht am Kategorien 1. Bundesliga, 2020, Allgemein

Augen gerade-AUS!

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(opa) Wer gedient hat, wird den Befehl kennen, den Blick frei gerade aus zu nehmen, nachdem man sich gerichtet oder die Augen zum Gruß oder zur Meldung woanders hin gerichtet hatte. So oder so ähnlich geht es auch vielen Fußballfans, die sich nach einer quälend langen Länderspielpause endlich nach einem neuen Spieltag ihres Lieblingsteams sehnen und den Blick nach vorn richten, wenn nach und nach alle Spieler zum Team zurückkehren und sich auf den Ligaalltag vorbereiten.

Wobei, was heißt dieser Tage schon Alltag? Nach dem langen Transfersommer, der für die Fraktion derer, die sich gern über Gerüchte austauschen, ein Hochgenuss gewesen sein muss, während alle anderen eigentlich nur endlich zum Alltag zurückkehren wollten, haben die Teams in den Ligen, die viele Nationalspieler in ihren Reihen haben, eher eine Art Zäsur zu verkraften durch die Abstellungen an die Nationalteams. Immer wieder kleine Neuanfänge, die die Bildung von Automatismen, Dreiecken und Pärchen behindern.

Und was heißt schon Sehnsucht? Nicht nur, dass viele mit der deutschen Nationalmannschaft fremdeln, auch im Ligaalltag fehlt es vielen an Reizpunkten. Das mag mit dem totalen Überangebot von Fußball im TV zu tun haben, mit noch mehr Wettbewerben, mit Anstoßzeiten, die niemand mehr im Kopf behalten kann, geschweige denn, welcher Sender welches Spiel zeigt. Sehnsucht entsteht manchmal durch Entzug und nicht umsonst gibt es das Sprichwort “Willst Du was gelten, mach’ Dich selten!”

Doch das kann der Fußball nicht, zu abhängig ist er von immer gierigeren Geschäftsmodellen, die den Jahrmarkt und die Fahrgeschäfte am Laufen halten, die auf Fanseite jedoch Fliehkräfte zu entwickeln drohen, die mehr und mehr vom Karussell abzuwerfen im Stande sind. Eine Entwicklung, vor der seit Jahren gewarnt wird, auf die an den entscheidenden Stellen aber – wenn überhaupt – nur symbolisch Rücksicht genommen wird. Der Hosenknopf, der die Kräfte, die das Multimilliardengeschäft Fußball entwickelt, muss aber vermutlich noch entwickelt werden.

Und so werden wir also weiter Zeuge von Internationalisierungsstrategien und dem Versuch, auch noch den letzten Cent aus dem System zu quetschen, was längst jedes Maß verloren zu haben scheint. Bei der Nationalmannschaft schaute wegen des doch immer wieder eintretenden Erfolgs der eine oder andere noch drüber hinweg, wenn Spieler, die weniger aus patriotischen als aus opportunistischen Gründen sich für die deutsche Elf entschieden, lustlos gegen den Ball traten als sei das eine Pflichtveranstaltung wie Müll raustragen, während den Fans “powered by Coca Cola” sündhaft teure Tickets angedreht wurden und kein Werbeblock ohne die Nutella-Jungs lief.

Doch dieser Kitt, der ohnehin niemals eine Art Statik entwickelte, ist seit gestern nicht mal mehr Makulatur, die Risse sind offensichtlich und sie gehen tiefer, als dass sie sich nur durch den Austausch des Trainers reparieren ließen. Dieser Fußball ist krank und die Frage ist, ob dieser Fußball eine Überlebenschance hat. Denn die Gier geht bis tief runter in die Amateurligen, wo selbst auf Kreisklasseniveau von den Akteuren ganz selbstverständlich Antrittsgeld verlangt wird, wo in anderen Sportarten Athleten aus intrinsischer Motivation heraus sich die Extrameile aus dem Körper jagen und die Anreise zum Wettbewerb aus eigener Tasche bezahlt oder per Anhalter erledigt wird.

All das fehlt dem Fußball und Flüge von Stuttgart nach Basel oder der Umgang mit Kritik nicht nur daran zeigen die Maßlosigkeit, die sich entfesselt hat. Ich beneide beinahe jeden, der solche Gedanken beiseite wischen und sich an dem Event berauschen kann, ich schaffe das nicht mehr. Und auch bei Herthaspielen herrscht schon lange nicht mehr das Kribbeln, welches früher Motivation war, sich bei Minusgraden gegen einen unattraktiven Gegner in die Kurve zu stellen, dessen Gästefans gesammelt im Smart anreisen konnten.

Und doch müssen wir irgendwie weitermachen, denn natürlich wechselt man als Fußballfan nicht die “Konfession”. Und auch wenn man das Spiel nicht mehr live verfolgt, so hört man doch Radio, schaut eine Zusammenfassung und hofft insgeheim auf den magischen (oh!) Moment, der einem den Zauber früherer Tage zurückbringt, als man beim Gedanken an das eigene Team Gänsehaut bekam.

Samstag kommt der BVB. Im Spitzenspiel um 20:30 Uhr zur Prime Time wäre unter normalen Umständen nicht nur das Stadion knüppelvoll, sondern auch die vielen Fußballkneipen, die derzeit vor sich hindarben und von denen einige in eine ungewisse Zukunft blicken. Vielleicht auch ein Grund, weshalb der Fußball nicht zur Tagesordnung übergehen sollte, als wäre da draußen nicht eine weltweite Katastrophe zu Gange, mit deren Folgen wir uns noch lange Zeit auseinandersetzen werden müssen.

Und dennoch herrscht auch bei mir Neugier darauf, welchen Matchplan sich Trainer Labbadia ausgedacht hat, um den BVB mit seinen Megastars und Megatalenten zu knacken. Wie treibt unser neuer Wunderspieler Guendouzi seine Teamkollegen an? Welche Motivation entsteht bei seinen Mitspielern, wenn ein solcher Ausnahmespieler die wieder einmal halbhohe Flanke in den Rücken doch noch gefährlich verarbeiten kann? Und wie stabil steht unsere Abwehr, die zuletzt unbezwungen war?

Der Mensch ist nun einmal widersprüchlich und zerrissen, daher darf es der Fußballfan auch sein. Aber der Fußball sollte es nicht.

HaHoHe, Euer Opa

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