(opa) …Lametta, wissen wir nicht erst seit Loriots grandiosen Sketchen. Wer erinnert sich nicht an Tanten und Onkels, die einem in die Wange kniffen oder bei Hochzeiten augenzwinkernd in die Seite stupsten, man sei der nächste, was erst aufhörte, als man dasselbe mit ihnen bei Beerdigungen machte. 😉 Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch mehr Arbeit, denn heute genieße ich es, dass wir mal wieder einen Gastbeitrag haben und ich mich entspannt zurücklehnen kann.
Kamikater, bekannt für seine moderaten Töne, hat in seiner unnachahmlich ruhigen Art einen Gastopener verfasst, der ganz sicher zur Diskussion anregen wird. 😉
Früher war mehr Paul
Sportliche und gesellschaftliche Veränderungen von Hertha BSC im Jahr 2020 – ein Blick von der Seite.
(kam) Ach, was war das gemütlich! Früher konnte der Herthafan noch lästern. Michael, Jürgen Paul, da fand sich immer Einer, dem man täglich einen reinwürgen konnte. Viele Fans erleben jahrzehntelang zudem unsere Spiele als die täglich magere Fußballkost ohne Mumm. Das kam noch dazu und beflügelte Medien und Fans in ihrem Meckern gleichermaßen.
Um es gleichmal vorwegzunehmen, aber ohne Angst machen zu wollen: Damit ist es meiner Meinung so langsam vorbei, geht doch seit einem Jahr ein deutlicher Ruck durch den ganzen Verein. Nicht nur, dass man Bruno’schen Ehrgeiz lebt, auch vor der Geschäftsstelle machen mit neuen Gesichtern die Entwicklungen innerhalb unseres Vereins innerhalb kürzester Zeit nicht halt, bestenfalls gebremst von der unsäglichen Coronawelle, die nie zu enden scheint.
Damit haben selbsternannte Propheten, Miesepeter im eigenen Lager und Herthahasser „round the globe“ große Probleme. Denn warum sollte nun plötzlich alles besser werden, wo doch bekanntermaßen jeder Trabbi besser fuhr, Hartplatzgekicke sowieso der reinste Elitesport ist und Berlin sowieso nur großmäulig und dreckig?
Wie sich diese Abneigung und Angst vor dem Erfolg unseres Clubs außerhalb zeigt: in fast täglich zu erlebenden Übertragungen von Sky, DAZN, RBB, der Tagespresse und den Digitalmedien. Da wird gebetsmühlenartig das Wort „selbsternannter Big City Club“ bemüht, da wird von 340 Millionen Investitionen in Spieler berichtet, da kracht es bei jedem Bericht nur so vor künstlich aufgebauschter Erwartungshaltung. Frei nach dem Motto „Neid, Hysterie und Angst verkaufen sich derzeit sehr gut, da lässt sich doch prima drauf einsteigen!“
Doch insbesondere bei den eigenen Fans kommt das Negativgerede gar nicht so an, wie man meinen sollte. Im eigenen Haus kommt es kurioserweise oft „Berlin-like“ rüber. Wir seien doch selbst Schuld, seien größenwahnsinnig und in Wirklichkeit komplett unfähig. Da kommt es doch nur gelegen, wenn ein Spieler mal schlecht spielt, es Preetz anzulasten und überhaupt müsste man ja durch die Investitionen ganz oben stehen. Imagekampagnen sind eine Erfindung von Keuters Paule, alle Andere haben so was nicht nötig, die gewinnen doch nur!
Dass alleine Leipzig, Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim, Bayern, Dortmund und Schalke allesamt 1 Milliarde Euro in den letzten 20 Jahren in den Verein an Spielern, Stadion und anderweitige Man- und Marketing-, Organization- , Media- und Techpower gesteckt haben, also mindestens 3 Mal soviel, wir derzeit, dass will kaum ein Herthafan wahrhaben und wird komplett vergessen.
Die Haltung des Herthafans wird durch die gerade getätigten Investitionen insbesondere in Coronazeiten auf die Probe gestellt. Bald ist es möglicherweise vorbei, jeden Tag einen anderen vermeintlichen Versager unseres Vereins durchs Dorf zu jagen. Wenn man sich nämlich eingestehen muss, dass es schon ein ganzes Stück vorwärts geht und noch gehen wird. Dass Rufe bei jeglichem Erfolg keiner mehr geunkt haben will, wenn es dann künftig anders aussehen wird, ist klar. Es wird kein offensichtlich positiver Wandel wahrgenommen. Das stimmt schon bedenklich. Mit Kampagnen ist das nicht zu machen und es steht zu befürchten an, dass es auch Titel nicht richten dieser Tage. Corona kommt dem Selbstbild des Herthafans im Zuge dieser ganzen positiven Meldungen um den im sportlichen Wandel befindlichen Verein gerade Recht. Jeglicher Erfolg, damit kann der Herthafan nicht gut umgehen. Irgendwo muss doch der Haken sein. Denn Veränderungen bedeuten auch, an sich etwas ändern zu müssen. Nein, „mia san mia“ heißt auf Berlindeutsch: „Alles muss kacke bleiben!“
Aber, braucht es denn wirklich die ewigen Unkenrufer und Miesepeter und wäre nicht gerade jetzt ein wenig Rückrat nötig? Wenn es mal nicht gut läuft, wie in Coronazeiten, bedarf es die Menschen, die sich nicht beunruhigen lassen, die daran glauben, dass man etwas erreichen kann. Bauchredner, Hintenrumjammernde und Besserwisser ohne Plan braucht es in dieser so wichtigen und für den Verein historisch einmaligen Restrukturierungsphase des Vereins jedenfalls nicht.
Denn es gibt genug zu tun. Hin zum attraktiven und erfolgreicheren Fußball und nach Europa, sind keine leeren Phrasen, sondern vorwärts betrachtet eine Konsequente und rückwärts betrachtet absolut Überfällige. Es gilt, den Verein in unruhigen Zeiten zu stabilisieren und den Aufbau der Organisationsstruktur und Entwicklung eines profitablen Geschäfts mit Hilfe des Investors voranzutreiben, damit man eben weiter unabhängig agieren kann. Und wie sich Abhängigkeit als Westberliner anfühlt, das auch nach dem Mauerfall bis heute in der vom Senat bewusst nicht geführten Debatte zum Neubau eines Stadions hinlänglich erleben.
Und sportlich, was zeigt sich da? Auf jeden Fall – das sollte allen Fans klar sein – ist in einer Phase des großen Umbruchs so schnell keine geschlossene Mannschaft auf dem Rasen zu erwarten. Mit der Neuigkeit für jeden Sportverantwortlichen, daß plötzlich Leistungen an die sportliche Neuausrichtung geknüpft werden, hat der ein oder andere Spieler aus unterschiedlichen Gründen so seine Schwierigkeiten.
Nehmen wir Arne Maier. Jung, talentiert aber vielleicht schlecht oder wenig bis gar nicht beraten: Statt den Kampf anzunehmen und mit der Gewissheit der Herthafans im Rücken, wollte er es zunächst medial angehen, statt sportlich. Mitlerweile ist er in Bielefeld angekommen.
Dann Niklas Stark, ehemaliger Kapitän. Wenn er nicht weiter an sich arbeitet und gehen will, wo er bisher als „Fastnationalspieler“ mehr Verantwortung für sich und Andere übernehmen müsste, wird man auch ihm zurecht Fragen nach dem Können oder sogar Wollen stellen. Auch da scheint es mir mit dem Durchsetzungsvermögen nicht weit her zu sein.
Im Tor mit Schwolow, davor mit Boyata und Torunarigha und Alderete drei gute IV. Ein vierter ist, man wünschte es sich, dass es andersherum klingt: der schwache Stark. Hinten Rechts ist Pekarik ebenfalls zu wenig dynamisch aber dafür solide, dafür kann sich nun auch Zeefuik zeigen, bei dem defensiv weitaus weniger anbrennt, als bei Klünter, der wiederum ebenso oft völlig überfordert wirkt, wie unsere gesamte linke AV.
Marvin Plattenhardt, kurzweiliger Nationalmannschaftskandidat, ist derzeit rein körperlich und geistig nicht gut drauf. Er wirkt unkonzentriert und ist zu langsam gedanklich, spielt auf Sicherheit nach hinten und lässt genau wie Maxi entweder seine Gegner frei flanken lässt oder hebt in schöner Regelmäßigkeit selbst das Abseits auf.
Die Abgänge versus Zugänge: Ibisevic, Schelle und Kalou sind allesamt auf der Zielgeraden ihrer Karriere, haben sich anständig benommen, lassen ihre Karrieren nun auslaufen. Dafür haben wir frische Kräfte geholt, die noch keine Anführer sein können. Tousart zeigt zuverlässig Leistung, Daridas Leistung dagegen ist arg schwankend. Daher haben Santi und Guendouzi nun ebenso wie Löwen eine Chance, sich zu zeigen. Schelle fehlt also momentan noch. Mal gucken, wie lange.
Im ZMF sind wir nämlich eigentlich mit Santi, Tousart, Darida, Guendouzi und Löwen auch nach einem Abgang von Schelle und Maier ordentlich ausgestattet. Auf den Außen haben wir eigentlich nur Dilrosun , Leckie und Lukebakio. Aber allesamt sind defensiv schwach. Das ist momentan die Krux. Bleibt die 10, wo man es bisher erfolgreich mit Cunha versucht. Davor ist die Planstelle mit Cordoba, Piatek und Ngankam hochgradig besetzt.
Und wie reagiert Bruno? Er wird, so kann ich mir noch vorstellen, sich weiterhin nach einem Box2Box-Spieler, einem LV und einem offensiven Außenspieler umgucken. Einerseits müssen wir diese offenen Positionen für die Statik in unserem Spiel sowieso holen und andererseits sind sie fehlende Puzzlestücke in dem ehrgeizigen Vorhaben, einen Verein innerhalb kürzester Zeit sportlich konsequent weiterzuentwickeln.
Eines ist sicher: Spieler und Trainer weht der in meinen Augen überfällige öffentliche Druck auf das eigene Vermögen gehörig um die Ohren. Und nur da gehört er auch hin. Corona wird für einige Vereine künftig das dauerhafte Aus im Kampf um Europa bedeuten und wir im Zuge dessen vielleicht 3-4 Plätze in der Tabelle nach oben rutschen.
Wichtig ist, es als Chance zu sehen. Eine, die man mutig nutzen kann. Es ist wie beim Elfmeter – man kann verschießen, aber antreten sollte man schon. Dazu gehört Mut und Ehrgeiz, gewinnen wollen und Zusammenhalt, positives Denken und das Wissen um das eigene Können. Das gilt für Hertha wie ihre Fans gleichermaßen. Ich glaub daran! HaHoHe!