(opa) War das gestern ein historisches Ereignis? Beim Spiel der Bayern wurde nach dem Zeigen von Schmähplakaten und eines stilisierten Konterfeis von Dietmar Hopp im Fadenkreuz das Spiel unterbrochen und reflexartig solidarisierten sich Verband, Funktionäre und Spieler mit dem Mäzen.
Nun ist es grundsätzlich ehrenhaft, jemandem in einer solchen Situation beizuspringen. Dietmar Hopp hat grundsätzlich nichts Böses gemacht, als er mit seinem Geld seinen Jugendverein gekauft und in die Bundesliga geführt hat. Das dürfte selbst unter denen, die die Plakate hochhalten, eher unumstritten sein.
Dietmar Hopp steht symbolisch für eine Entwicklung, gegen die sich Widerstand regt. Die Kommerzialisierung des geliebten Hobbys mit Aufweichung von 50+1 und das um sich greifende Mäzenatentum. Dass das andererseits eine kaum auflösbare Widersprüchlichkeit ist, bedürfte eines größeren Tiefgangs der Debatte, der dann allerdings viele intellektuell kaum mehr zu folgen im Stande wären.
Und so wird das gemacht, was seit einigen Jahrzehnten erfolgreich zur Meinungsbildung praktiziert wird und sich Campaigning nennt. Mit Reduzierung der Komplexität, wenig Detailtreue und einer Polarisierung im Highlander-Stil. Wer nicht dafür ist, muss dagegen sein. Beide Seiten nehmen sich da nicht viel.
Flankiert wird das Ganze von einer Entwicklung, die uns viel mehr Sorgen machen sollte: Weil man gar nicht erst eine Debatte führen will, werden Maßnahmen ergriffen, die den Ausdruck der missliebigen Meinung unterbrinden sollen. Verbote, Sperren wegen Hatespeech und Strafen sollen erziehen. Der Öffentlichkeit wird vorgegaukelt, man könne so Probleme lösen.
Doch ist dem so? Denken Menschen wirklich anders, weil man ihnen verbietet, ihre Meinung zu sagen? Es gibt berechtigte Zweifel am Erfolg dieses Weges.
Und man kann mehr als eine Position haben, weil diese wie viele andere Fragen vielschichtig sind. Man kann Dietmar Hopp gegen Anfeindungen in Schutz nehmen und gleichzeitig in der Sache kritisieren. Ich habe ihn einmal durch Zufall getroffen und bin ein paar Etagen Aufzug mit ihm gefahren. Das ist ein netter und sympathischer Mann, er gibt vielen Menschen einen tollen Arbeitsplatz und hat einen deutschen Weltkonzern geschaffen.
Wer mit Menschen in der Region rund um Walldorf spricht, wird erfahren, was er alles fürs Gemeinwohl finanziert hat. Kaum eine Kindergartenschaukel oder Kunst im öffentlichen Raum, die nicht wenigstens zu einem guten Teil von einem der SAP Gründer bezahlt wurde.
Und da ist der Fußball, der für viele Menschen mehr als nur Sport ist. Fußball ist Projektionsfläche für Werte, die längst nicht mehr existieren. Für Menschen, die wollen, dass alles so bleibt wie es ist. Dass man durch Teamgeist, harte Arbeit und Talent den sportlichen Unterschied ausmacht und nicht durchs Geld. So ehrwürdig dieser Wunsch ist, er ist schlicht realitätsfern.
50+1 ist tot. Die Regelung konnte weder Hopp noch VW noch RB verhindern. Sich daran festzuklammern und selbst Anhänger eines von Investoren gepäppelten Vereins zu sein, ist ein Widerspruch, der nicht so einfach aufzulösen sein dürfte.
Der Umgang mit der Causa Hopp ist noch aus einem anderen Grund unfair. Bundesligisten wie Paderborn oder Augsburg fliegen unter dem Protestradar, deren Geschäftsmodell ist jedoch nur formal anders als das von Hopp.
Hopp hat vielleicht den Fehler gemacht, sichtbar zu sein. Und er hat sich gewehrt. Beides bietet Angriffsfläche. Für Personen des öffentlichen Lebens gelten im deutschen Recht zudem andere Regeln hinsichtlich Schmähungen. Es ist der manchmal schwer zu ertragende Preis der Prominenz. Was für Frau Künast gilt, muss auch für Herrn Hopp gelten.
Dietmar Hopp hat das Recht, sich zur Wehr zu setzen. Ob die Verbände, die bei anderen Vorkommnissen wie rassistischer Beleidigungen wegschauen oder diese wie im Fall von Tönnies marginalisieren, nun die sind, die da Schiedsrichter spielen sollen, scheint hingegen mindestens mal fragwürdig. Und fragwürdig sind auch die Maßnahmen, die darauf zielen, auch legitime Schmähkritik zu unterbinden. An der Stelle muss man sich im Klaren darüber sein, dass es dabei eben auch um das von Artikel 5 des Grundgesetzes geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung geht.
Mit den gestern gezündeten Eskalationsstufen ist der Krieg eröffnet. Die Fanszenen sind vernetzt, die Aktionen koordiniert. Betroffene und Verbände reagieren “empfindlich” und mit einer Art Steinzeitpädagogik. Und glänzen mit einem Aktionismus, den man sich an anderer Stelle wünschen würde.
Und da es auch keinen Mediator gibt, der von beiden Seiten akzeptiert würde, wird es am Ende keinen Gewinner geben. Es ist wie im Krieg.